Forschungsprojekt zu nachhaltig erzeugten Baustoffen

Presseinformation /

Um den CO2-Ausstoß der Baubranche dauerhaft zu senken, ist die Entwicklung von Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen von entscheidender Bedeutung. Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, hat heute im Rahmen seines Besuchs am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Stuttgart den Förderbescheid für das Modell- und Demonstrationsverfahren RoNNi übergeben. RoNNi steht für »Nachhaltige Erzeugung und Verwertung von Rohrkolben auf Niedermoorstandorten in Niedersachsen«. Mit Paludikultur, d. h. der landwirtschaftlichen Nutzung nasser Moorstandorte, sollen im Forschungsvorhaben Rohstoffe – wie in diesem Fall Rohrkolben (lat. Typha) – erzeugt werden. Gleichzeitig ermitteln die 13 Projektpartner aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie sich der Anbau von Rohstoffen für Baumaterialien und der Moorschutz verbinden lassen.

Übergabe Förderbescheid
© Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir übergibt den Förderbescheid an das Fraunhofer IBP und Fraunhofer WKI.
Typhaboard
© Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Das Typhaboard vereint viele Eigenschaften eines produktiven Baustoffs und ist dazu noch nachhaltig.
Projektpartner RoNNi
© Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir übergibt den Förderbescheid an die Projektpartner RoNNi.

Im Kreis der Vertreterinnen und Vertreter des Projektkonsortiums unter Leitung von 3N Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e. V. übergab Özdemir den Förderbescheid offiziell an Prof. Dr. Martin Krus, verantwortlich für das am Fraunhofer IBP angesiedelte Teilprojekt »Entwicklung, Prüfung und Herstellung sowie Materialeigenschaften Typha-basierter Bauprodukte«. Krus forscht seit mehr als 15 Jahren mit Kolleg*innen und dem Architekten Werner Theuerkorn, typha technik, zu Baumaterialien aus dem nachhaltigen Rohstoff Typha.

Der Bundesminister zeigte sich bei der Übergabe des Förderbescheids von den innovativen Nutzungsmöglichkeiten dieses nachhaltig erzeugten Baustoffs begeistert. »Unser Motto muss sein: ›Schützen, was wir nutzen‹ – damit schaffen wir für die Landwirtinnen und Landwirte Anreize für aktiven Klimaschutz. Die Nutzungsmöglichkeiten von nachhaltig erzeugten Baustoffen zeigen, welches Potenzial hier liegt. Mein Ziel ist es, möglichst viele Partner mitzunehmen: Für landwirtschaftlich geführte Höfe muss es sich wirtschaftlich lohnen, beispielsweise Moore wiederzuvernässen und dort neue Pflanzenkulturen anzubauen, die sich nachhaltig nutzen lassen«. Krus freut sich über die Würdigung der jahrelangen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. »Ein besonderer Dank gilt dem gesamten Team, das an der Entwicklung von Typha-basierten Bauprodukte mitgewirkt hat. Wir sind stolz und freuen uns sehr über die Förderung durch das Bundesministerium.« 

Als einer der 13 Forschungspartner im Projekt verfügt das Fraunhofer IBP über umfangreiche Kompetenzen in der Entwicklung nachhaltiger Baumaterialien. »Wir haben ein Verfahren entwickelt, um aus Typha einen vollwertigen und vor allem klimafreundlichen Baustoff herzustellen« berichtet Krus, der als Projektleiter verantwortlich für die Entwicklung des sogenannten Typhaboards ist. Der vielseitig einsetzbare Dämm- und Wandbaustoff besteht aus Blättern des Rohrkolbens und einem mineralischen Bindemittel, die zu multifunktional einsetzbaren Platten gepresst werden. »Das Typhaboard vereint viele Eigenschaften, die einen produktiven Baustoff ausmachen«, erklärt der Wissenschaftler. »Es ist stabil, bietet einen guten Schallschutz, hervorragende feuchtetechnische Eigenschaften, ist schimmelresistent, hat eine hohe Dämmwirkung und bietet darüber hinaus einen hohen Brandschutz.«

Rohrkolben ist aufgrund seiner enormen Produktivität prädestiniert als Rohstoff für die industrielle Verwertung: Typhabestände sind unempfindliche, natürliche Monokulturen, die jährlich 15 bis 20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar hervorbringen – die sich wiederum zu rund 100 bis 200 Kubikmeter Baustoff verarbeiten lassen. Dies entspricht dem Vier- bis Fünffachen des Rohstoffertrags heimischer Nadelwälder. Mit dem Anbau auf Niedermoor- und Talböden in Deutschland ließe sich mit Typha eine ausreichende Grundlage zur Deckung des Gesamtbedarfs an Dämm- und Wandbaustoffen bilden, so die Einschätzung von Expert*innen. Zudem binden die mit Rohrkolben bewachsenen Moore Kohlendioxid, vermeiden als wiedervernässte Niedermoore die enormen klimaschädlichen Emissionen konventionell bewirtschafteter trockener Niedermoore, verhindern Bodenerosion und bieten ein hohes Maß an Biodiversität.

Für eine nachhaltige Lebensweise sind nachwachsende Rohstoffe von zentraler Bedeutung – auch für eine klimaschonende Moorbewirtschaftung. »Typha hat einen weiteren großen Vorteil: Die Pflanzen können als nachwachsende Rohstoffe auf vernässten organischen Böden angebaut werden«, so Krus. Wie dieser wertvolle Rohstoff für den Moorschutz der Zukunft genutzt werden kann und wie stark die klimaregulierende Wirkung ist, wird im Rahmen des Modell- und Demonstrationsverfahrens ebenfalls untersucht.

Özdemir nutzte die Gelegenheit, um sich auf dem Campus des Fraunhofer-Institutszentrums weitere Forschungsprojekte und -einrichtungen des Fraunhofer IBP anzusehen und mit den Forschenden ins Gespräch zu kommen. Vor allem die Wilde Klimawand weckte dabei das Interesse des Bundesministers. Das innovative Grünfassadensystem unterstützt neben klimaregulierenden Ausgleichsfunktionen auch das gesunde Wachstum der heimischen Pflanzenwelt. »Wir haben viele natürliche Verbündete beim aktiven Klimaschutz. Das System zeigt, was möglich ist und dass durch Forschung innovative Lösungen gefunden werden können.« Er betonte die Bedeutung einer praxisnahen Forschung, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. »Wir brauchen Projekte, die sich direkt in die Praxis umsetzen lassen, die Innovationen in die Fläche bringen und damit den Klimaschutz fördern.«

Hintergrundinformationen zum Projekt RoNNi

Das Modell- und Demonstrationsverfahren RoNNi verfügt über ein Gesamtfördervolumen von 11,1 Millionen Euro und wird vom 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e. V. in Werlte koordiniert. Am 1. Oktober 2023 startete das Forschungsprojekt, das nach einer Laufzeit von neun Jahren am 30. September 2032 endet. Im Fokus steht die Transformation der Bewirtschaftung von entwässerten, landwirtschaftlich genutzten Niedermoorböden hin zu einer klimaschonenden, moorbodenkonservierenden Nassbewirtschaftung durch den Anbau von Rohrkolben. Hierzu wird in zwei Modellregionen in den Landkreisen Emsland und Cuxhaven mit unterschiedlicher landwirtschaftlicher Struktur die großflächige, qualitätsoptimierte Erzeugung von Rohrkolben (lat. Typha angustifolia / T. latifolia) und die Verwertung der Biomasse als Baustoff und als Gartenbausubstrat (Torfersatz) entwickelt, demonstriert und für die Vermarktung vorbereitet.

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