Forschungsprojekt auf dem Münchner Oktoberfest: Bessere Luftqualität mit UVC-Technologie
Inwieweit kann UVC-Technologie helfen, Mikroorganismen in der Luft zu inaktivieren und damit für reinere Luft bei Großveranstaltungen zu sorgen? Dieser Frage gingen Forschende des Leistungszentrums Sichere Intelligente Systeme (LZSiS) auf dem Oktoberfest 2022 nach. Der Praxistest zeigt: Durch die UVC-Technologie kann die Anzahl der vermehrungsfähigen Luftkeime gesenkt werden. Nach einer zehntägigen Aufbereitung mit anschließender Auszählung liegen nun konkrete Ergebnisse vor.
Prof. Dr. Gunnar Grün, Projektinitiator und stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP, ist überzeugt: »Technologische Lösungen können einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, das Wohlbefinden und die Sicherheit bei Großveranstaltungen zu steigern. Wenn die Luft hygienisiert werden kann, hat das neben der konkreten Verringerung der potenziellen Keimbelastung auch positive Effekte auf eine sorgenfreie Atmosphäre.«
Mitarbeitende des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP – eines von sechs am Leistungszentrum »Sichere intelligente Systeme« (LZSiS) beteiligten Fraunhofer-Instituten – haben an vier Tagen in einem Festzelt des Münchner Oktoberfests orientierende Messungen vorgenommen, wie sich die Mikroorganismen in der Luft verändern, wenn UVC-Technologie eingesetzt wird. Der Ort der Messung: Die Festhalle Schottenhamel, das älteste Festzelt auf der Münchner Wiesn. »Wir konnten die Familie Schottenhamel für unseren Innovationsansatz gewinnen und so weiter Erfahrungen sammeln, welche konkreten Ergebnisse der Einsatz von UVC-Technik in der Praxis bringt«, so Gunnar Grün. Als Technologie-Partner kam die Signify GmbH mit ihren Philips UVC-Geräten mit ins Oktoberfest-Projekt.
Das gemeinsame Ziel: Die Möglichkeit der Ansteckung durch Luftkeime beim Besuch eines Festzeltes zu reduzieren und dabei die Aufenthaltsqualität zu steigern – ohne dass die Besucher*innen von der verwendeten Technik Notiz nehmen.
Das Forschungsvorhaben
Im oberen Bereich des Festzeltes installierten die Forschenden 14 UVC-Geräte in der Größe von Videoprojektoren. Bei laufendem Festbetrieb wurde in der Mitte der Festhalle an zwei Tagen mit den eingeschalteten Geräten gemessen, an zwei weiteren ohne; alle zwei Stunden erfolgte ein Messzyklus. Dabei wurden über 20 Minuten 100 Liter Luft durch fünf Gelatinefilter gezogen, die so mit Luftkeimen befrachtet wurden. Die beladenen Filter wurden anschließend im mikrobiologischen Labor des Fraunhofer IBP aufbereitet und nach jeweils zehn Tagen ausgezählt. Die durchgeführte volumetrische Luftkeimmessung gehört zu den Standardmethoden der Innenraummikrobiologie. Die Hintergrundbelastung mit Luftkeimen eignet sich sehr gut als Indikator, um in der Praxissituation die Leistung von Hygienemaßnahmen zu untersuchen – eine neue Anwendung für die Luftkeimmessung.
Die Ergebnisse
Es zeigte sich, dass an den Tagen, an denen die Geräte betrieben wurden, die vermehrungsfähigen Mikroorganismen in den Luftproben reduziert waren. Die Anzahl der sogenannten »koloniebildenden Einheiten (KBE)« war bei den Beprobungen unter Einsatz der UVC-Geräte geringer als an den Referenztagen, sodass im Vergleich eine niedrigere Hintergrundbelastung an Luftkeimen vorlag. Die Anzahl an keimfähigen Einheiten aerober Luftkeime lag mit im Median 1290 KBE/m³ an Tagen unter UVC-Einsatz signifikant um 27 Prozent niedriger als an Tagen ohne UVC mit im Median 1760 KBE/m³.
Mikroorganismen werden durch UVC-Technologie inaktiviert
Atemluft ist wärmer als die Umgebungsluft und steigt daher, zusätzlich angetrieben durch die Körperwärme der Gäste, in den Deckenbereich des Festzeltes auf – dorthin, wo auch die UVC-Geräte verbaut wurden. In der Luft sind Mikroorganismen aller Art enthalten – darunter die viel diskutierten Corona-Viren, aber auch zahlreiche andere Luftkeime. Diese sind größtenteils harmlos, doch finden sich darunter auch solche, die verschiedene andere Infektionen verursachen und schon seit jeher nach dem Besuch großer Veranstaltungen zu Grippe oder Erkältungskrankheiten führen können.
Wenn nun die Mikroorganismen in den Bereich der UVC-Geräte kommen, nimmt ihnen das unsichtbare UVC-Licht die Vermehrungsfähigkeit. Kühlt die Luft sodann ab, sinkt sie wieder Richtung Boden und wird von Gästen oder Mitarbeitenden eingeatmet. Die vermehrungsfähigen Luftkeime sind in der absinkenden Luft nur noch reduziert vorhanden, die Konzentration an Mikroorganismen wird verdünnt. Der direkte Infektionspfad, beispielsweise über Tröpfchen- oder Schmierinfektion, bleibt bestehen, doch die Hintergrundbelastung wird geringer.
Der Einsatz von UVC-Technologie ist eine gängige Desinfektionsmethode, u. a. in der Lebensmittelproduktion, in der Wasserentkeimung oder im Medizinbereich. Für den Einsatz sind jedoch Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die auch für das Forschungsprojekt auf dem Oktoberfest angewendet und zudem für den Arbeits- und Gesundheitsschutz durch Expert*innen abgenommen wurden.
Erfolgreiche Anwendung im Festzelt mit über 6.000 Sitzplätzen
»Das Phänomen, dass in größeren Personengruppen die Anzahl der Luftkeime höher ist, ist nichts Neues. Früher haben wir das recht selbstverständlich hingenommen. Seit Corona hat sich die Sensibilität diesbezüglich stark erhöht«, meint Gunnar Grün. Bisher habe man die gute Wirksamkeit des Reinigungsprinzips mittels UVC v. a.in kleineren Foren nachgewiesen. So z. B. in einem Kinosaal mit 55 Sitzplätzen im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Projekt »CineCov«. Durch die Zusammenarbeit mit der Familie Schottenhamel konnte die Methode nun auch in einem Großbetrieb mit über 6.000 Sitzplätzen auf einer Fläche von 4.800 Quadratmetern erprobt werden.
Festwirt Christian Schottenhamel, gleichzeitig stellvertretender Sprecher der Wiesnwirte und Vorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA in München, freut sich über die Ergebnisse, die aus seiner Sicht einen wichtigen Impuls für die gesamte Branche geben können: »Saubere Luft hat für Gäste und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine immer größere Bedeutung. Wir schaffen deshalb gerne die Möglichkeit, dass neue Lösungen konkret zum Einsatz kommen, sich im praktischen Alltag bewähren und zur Innovation in der Branche beitragen.«
Hintergrundinformation zum Leistungszentrum »Sichere intelligente Systeme (LZSiS)«
Das Leistungszentrum ist ein Zusammenschluss der Fraunhofer-Institute für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC, für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien EMFT, für Bauphysik IBP, für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV, für Kognitive Systeme IKS und für Verfahrenstechnik u. Verpackung IVV aus dem Großraum München mit der Technischen Universität München, der Universität der Bundeswehr München sowie der Hochschule München. Das Angebot reicht von innovativen, intelligenten Sensorsystemen bis hin zum unternehmensweiten Cybersecurity-Konzept, kundenspezifischen Workshops oder Weiterbildungen. Für Projektpartner steht eine einzigartige Forschungsinfrastruktur (z.B. Cybersecurity-Labor, Reinraumumgebung) zur Verfügung. In Verbindung mit exzellentem Branchenwissen in den Anwendungsfeldern Lebensmittel und Verpackung, Gießereiwesen sowie Baugewerbe ist das LZSiS ein umsetzungsstarker Partner für die digitale Transformation.
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