Das Fraunhofer IBP zeigt auf der BAU 2017 spannende Entwicklungen im Building Innovation Cube, raffinierte Baustoffe und intelligente Produkte für mehr Komfort und Energieeffizienz
Der Bauwirtschaft fehlt es an Innovationskraft – dieser Eindruck mag entstehen, wenn man allein die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen betrachtet. Doch das ist zu kurz gegriffen. Die Bauwirtschaft besteht aus einer komplexen Wertschöpfungskette mit vor- und nachgelagerten, auf den Bauprozess spezialisierten Industrie- und Dienstleistungsbereichen. Hier setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP an. Mit Partnern aus der Industrie sowie in nationalen wie internationalen Forschungsprojekten entwickeln sie anwendungsorientierte Systemlösungen und innovative Produkte im Bereich Bau. Während der Messe BAU 2017, die vom 16. bis 21. Januar 2017 in München stattfindet, präsentiert das Fraunhofer IBP auf der Sonderschau »Fraunhofer StadtLabor – mit Forschung und Entwicklung Lebensräume gestalten« (Halle C2, Stand 538) dem interessierten Publikum eine Auswahl seiner Entwicklungen und Beiträge zur Steigerung der Innovationskraft in der Bauwirtschaft.
Building Innovation Cube – Simulation trifft auf Realität
Im Building Innovation Cube des Fraunhofer IBP wird für Interessierte unter anderem die Simulation von Raumklima zur Realität. Denn hier demonstrieren die Forscher die Verbindung zwischen technologischen Innovationen für die Raumkonditionierung im Betrieb und modernsten dynamischen Simulationsumgebungen. Das Raummodul ist hierzu mit unterschiedlichen konventionellen und innovativen Raumklimaelementen ausgestattet. Gleichzeitig visualisiert ein so genannter »Digital Twin« (zu Deutsch: Digitaler Zwilling) den Raum als erlebbares 3D-Modell. So erfahren Besucher die realen Klimaeffekte im Raum und können diese zugleich im virtuellen Modell verifizieren. Umgekehrt können anhand des Digital Twin zunächst neue Raumklimaeinstellungen simuliert werden, um sie dann in der realen Umgebung zu erfahren.
Im Building Innovation Cube kommt zudem eine Reihe von innovative Technologien und Produktlösungen des Fraunhofer IBP zur Anwendung:
Der »Klimabrunnen«, ein Multiklimagerät, kombiniert die Vorteile von Flächenkühlsystemen mit einer effektiven Entfeuchtung der Raumluft in nur einem System. Gleichzeitig wird die Raumakustik positiv beeinflusst. Sowohl Räume, als auch Raumzonen werden ohne Negativeffekte wie Luftzug oder Lüftergeräusche klimatisiert, wobei limitierende Faktoren herkömmlicher Flächenkühlsysteme intelligent umgangen werden. Durch die Regelung der Wassertemperatur kann der Raum im Sommer gekühlt und entfeuchtet werden, im Winter hingegen wird der trockenen Heizungsluft Feuchte zugeführt. Die Möglichkeit der zonalen Klimatisierung ist ein weiterer Vorteil. Einzelne Bereiche eines Raumes können gezielt durch die Strahlungswirkung gekühlt werden. Dadurch eröffnen sich beispielsweise in Produktionsstätten oder hohen Eingangshallen beträchtliche Energiesparpotenziale, da nur jene Zonen konditioniert werden, in denen sich Menschen aufhalten.
Zur Sicherung einer ausreichenden Raumluftfeuchte in mechanisch belüfteten Bürogebäuden während der Wintermonate haben Forscher am Fraunhofer IBP eine neue Lösung mittels einer High-Tech-Membran entwickelt. Diese erreicht durch eine Trennung von Luft- und Wasserstrom im Belüftungssystem eine hygienische Luftbefeuchtung auf niedrigem Energieniveau. Bereits mit Wassertemperaturen von 20 Grad Celsius wird eine gute Luftbefeuchtung erzielt, so dass dazu verfügbare Restwärme energieeffizient genutzt werden kann.
Gleich mehrere Raumklimaparameter kann das Interpanel® Decken- und Wandsystem beeinflussen: Durch eine leistungsfähige Flächenkühlung, welche dauerhaft und ohne Tauwasserausfall unterhalb des Taupunktes der Umgebungsluft betrieben wird und schnell auf die Nutzerbedürfnisse reagiert, schafft das System ein angenehmes Raumklima und optimiert ebenfalls die Raumakustik. Zudem besteht die Möglichkeit einer integrierten Beleuchtung in den Elementen. Für eine einfache Montage sorgt die vorgefertigte Bauweise. Durch die Multifunktionalität wird die Schnittstellenkoordination vereinfacht, Bauvolumen gespart und eine Nachrüstung attraktiv.
Für ein wirtschaftliches, gesundheitserhaltendes und leistungsförderndes Arbeitsklima in Büroräumen macht sich auch die vom Fraunhofer IBP ins Leben gerufene BÜRO-INITIATIVE stark. Sie vereint Forschung und Praxis, um wichtige Impulse und Antworten für ein mensch-orientiertes und störungsfreies Arbeitsumfeld zu geben. Als ein häufiges Problem in Büros machten die Wissenschaftler beispielsweise das Mithören von Gesprächen aus. Dabei wirkt weniger die Lautstärke als die Sprachverständlichkeit störend. Um dem negativen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit entgegen zu wirken, ist die Maskierung oder Überdeckung ablenkender Geräusche am Arbeitsplatz sehr wichtig. Das Fraunhofer IBP hat dazu eine schallmaskierende Stehleuchte zusammen mit einem Industriepartner entwickelt: diese sendet ein akustisches Signal, welches ankommende Gespräche unverständlich macht, ohne die Lautstärke zu vermindern.
Um die Auswirkungen dieser Produkte demonstrieren zu können, kommen im Digital Twin verschiedenste Softwaretools zum Einsatz: Mit VEPZO, einer zonalen Raumklima- und Strömungssimulation sind Strömungsverhältnisse und Temperaturverteilungen im Innenraum schnell abzuschätzen und mit Hilfe von CFD (Computational Fluid Dynamics) lassen sich hochauflösende Strömungsberechnungen durchführen. Die Gebäudesimulationssoftware WUFI® Plus simuliert neben den hygrothermischen Bedingungen im Bauteil auch das Raumklima und kann damit auch für Fragestellungen hinsichtlich Komfort und Energiebedarf verwendet werden. Darüber hinaus bilden die Methoden der Ganzheitlichen Bilanzierung wie beispielsweise das Modell Life Cycle Assessment, kurz LCA, die Ökobilanzierung oder das Life Cycle Costing (LCC) die gesamten Lebenszykluskosten des Raumes ab.
Lüften ohne Lärm
Für ein angenehmes Raumklima ist auch eine ausreichende Lüftung unumgänglich. Häufig sind jedoch die Außengeräusche (Verkehrslärm, Baustellenlärm, etc.) zu laut, um das Fenster lange genug zu öffnen. Eine neue technische Entwicklung des Fraunhofer IBP in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie schafft hier Abhilfe. Ausgangspunkt sind herkömmliche automatische Fenster, die sich bei sensorisch erfasstem Lüftungsbedarf öffnen. Eine gänzlich neue Funktion ermöglicht das »Ohr am Fenster«. Es bewirkt ein automatisches Schließen, sobald außerhalb des Gebäudes ein bestimmter Geräuschpegel erreicht wird. Wenn dann beispielsweise der störende Zug vorbeigefahren ist, öffnet sich das Fenster wieder. Zur technischen Validierung führten Wissenschaftler des Fraunhofer IBP Messungen und Berechnungen zur Lärmschutz-wirkung durch. Im Rahmen eines Probandenversuchs haben die Forscher zudem eine psychoakustische Validierung des Systems vorgenommen.
Gebäude gekonnt planen
Die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum, aber auch große und komplexe Bauvorhaben verlangen nach zeit- und kosteneffizienten Lösungen. In der Planungsphase sowie beim Bau, aber auch beim Betreiben von Gebäuden ist das Building Information Modeling (BIM) auf dem Vormarsch. Dabei haben während des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks alle Beteiligten – vom Planer über den Bauherren bis hin zu den verschiedensten Handwerkern und zuletzt dem Facility Management – Zugriff auf ein digitales Datenmodell. Im Rahmen der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Initiative BIMiD (BIM-Referenzobjekt in Deutschland) arbeitet das Fraunhofer IBP, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO daran, diesen Trend auch in Deutschland fest zu etablieren. In verschiedenen Referenzprojekten soll BIM anhand konkreter Bauvorhaben beispielhaft demonstriert werden und durch die dabei gewonnenen Erkenntnisse der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft nützen. Das abschließende 7. BIMiD-Fachsymposium findet während der Messe BAU am 20. Januar statt.
Weitere Informationen unter www.bimid.de/veranstaltungen.
Funktionale Systeme und Materialien der Zukunft
Doch nicht nur die Digitalisierung hilft Zeit und Kosten zu sparen, große Potenziale liegen auch im modularen Bauen. Wissenschaftler des Fraunhofer-Zentrums Bautechnik, eine Kooperation des Fraunhofer IBP mit der Hochschule Rosenheim und dem Institut für Fenstertechnik e.V., haben in diesem Kontext ein neuartiges Dämmsystem aus vorgefertigten Bauteilen entwickelt. Die in ihrer Form anpassbaren Module werden auf der Baustelle in dafür vorbereitete Halteschienen eingehängt, was die Bauzeit vor Ort maßgeblich reduziert. Durch die ebenso einfache Demontage kann das System bei Bedarf problemlos rückgebaut werden.
Im Rahmen der Sonderschau werden an dem Dämmsystem anstelle des üblichen herkömmlichen Betons, außerdem innovative Baustoffe aus Geopolymeren und Leichtbeton präsentiert.
Geopolymere, auch alkalisch aktivierte Binder genannt, sind zementfrei und weisen höhere Festigkeitswerte als Beton auf. Aufgrund ihrer sehr guten Frost-Tau-Stabilität werden sie beispielsweise in Australien bereits für den Bau von Landebahnen eingesetzt. Für die Herstellung alkalisch aktivierter Bindemittel können unter anderem industrielle Nebenprodukte wie Aschen, Schlacken oder Stäube verarbeitet werden, was wiederum der Ressourcenverknappung von Kies oder Sand entgegenwirkt.
Textilverstärkter Leichtbeton kombiniert die Eigenschaften eines leichten und porösen mit denen eines stabilen Baustoffes. Durch die gezielte Anpassung der Leichtbetonformulierung mit geeigneten Zuschlägen und Additiven, lassen sich zusätzlich die wärmetechnischen und akustischen Eigenschaften beeinflussen. Dies eröffnet eine Vielzahl von Einsatzbereichen und marktfähigen Lösungen für den funktionalen Baustoff.
Natürliche Baustoffe für gesündere Gebäude
Im Rahmen des EU-Projekts »ECO-SEE« wurde am Fraunhofer IBP unter dem Motto »gesündere und energieeffizientere Gebäude bauen« an neuen natürlichen Baumaterialien geforscht. Das Forschungskonsortium hat dazu Innenwände und hochisolierte Außenwände bestehend aus Holz, natürlichen Isoliermaterialien wie Cellulose oder Schafwolle, wasserdampfdurchlässigen, hygrothermischen und feuchtepuffernden Putzen (z. B. Kalk, Lehm) mit verbesserter Adsorptions- oder photokatalytischer (lichtinduzierter) oxidativer Abbauleistung für flüchtige organische Stoffe wie Formaldehyd entwickelt. Dabei hatten die Wissenschaftler folgende Maßgaben einzuhalten: Die Produkte sollten mindestens 15 Prozent weniger Energie für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung verbrauchen, eine mindestens 20 Prozent längere Lebensdauer haben und die Baukosten um mindestens 20 Prozent reduzieren. Das Ergebnis wird nun auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand auf der BAU 2017 präsentiert: vorfertigbare ökologische und energieeffiziente Wandelemente aus nachwachsenden Rohstoffen für Außenfassaden und Innenwände in Holzrahmenbauweise und mit einer Dämmung aus Hanf, Cellulose, Schafwolle und Funktionsputz.
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