Paris Air Show Le Bourget 2015
Der »Report 2014 Energieeffizienz und Klimaschutz« des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL beziffert den CO2-Ausstoß im Luftverkehr für 2013 mit 700 Millionen Tonnen. Würden keine weiteren Maßnahmen – außer der Flottenerneuerung und einer höheren Auslastung der Flüge – ergriffen, stiege der Wert bis ins Jahr 2030 auf 1.226 Millionen Tonnen. Um dies zu vermeiden, treten neben der Ökonomie auch zunehmend die ökologischen Aspekte im Flugverkehr in den Vordergrund. Ein Faktor, der Auswirkungen auf die Emissionen hat, ist unter anderem das Klima in der Flugzeugkabine. Die derzeit weltweit rund 18.000 Passagierflieger wollen ihre Kunden nicht nur schnell, sicher und energieeffizient ans Ziel bringen, sondern ihnen auch die Flugzeit so angenehm wie möglich gestalten. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP forscht gemeinsam mit weiteren Fraunhofer-Einrichtungen sowie Partnern aus der Industrie im Rahmen unterschiedlicher Programme, wie zum Beispiel der europäischen Technologieinitiative »Clean Sky«, an Lösungen für ein energieeffizientes, sauberes und komfortables Raumklima im Flugzeug. Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bilden die Modellierung und Optimierungen des thermischen Managements von elektrischen Leistungskomponenten, die im Rahmen der Entwicklung von More- und All-Electric Aircrafts zunehmend verwendet werden. Auf der »Paris Air Show Le Bourget 2015 S.I.A.E.« präsentiert das Fraunhofer IBP von 15. bis 21. Juni in Halle 1, Stand G 316, seine Innovationen für die Luftfahrt.
»In einer zunehmend globalisierten Gesellschaft ist Fliegen nicht nur eine Frage von Luxus, sondern auch eines immer größer werdenden Wettbewerbs in der Luftfahrt. Umso wichtiger ist es, der Ökolonomie, das heißt der Ökologie sowie der Ökonomie, bei der technischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Unter diesem Gesichtspunkt forscht auch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik an neuen Architekturen für Flugzeuge, damit diese umweltfreundlicher werden, ihren Passagieren aber gleichzeitig ein Maximum an Komfort und Leistung bieten«, sagt John Cullen Simpson, General Director Aviation der Fraunhofer-Gesellschaft.
Flugtests am Boden durchführen mit der Ground Thermal Test Bench
Ein ökolonomischer Ansatz, den die Luftfahrtindustrie vorantreibt und der zunehmend in modernen Flugzeugen Einzug halten soll, heißt »all-electric«. Dabei wird unter anderem der Einsatz von Elektronik statt Hydraulik zur Steuerung sämtlicher Funktionen fokussiert. Parallel dazu wird die Verwendung leichter Materialien in der Entwicklung für neue Flugzeuge verfolgt. Ziel ist es, Gewicht und somit Treibstoff zu reduzieren. Um die Umsetzbarkeit und das damit verbundene Energiemanagement im Flugzeug zu entwickeln, zu validieren und schließlich zu demonstrieren, hat das Fraunhofer IBP seine Testlabore um eine weitere einzigartige Einrichtung erweitert. Die »Ground Thermal Test Bench« (GTTB), ein thermischer Prüfstand, eröffnet den Wissenschaftlern und ihren Partnern aus der Industrie zusätzliche Möglichkeiten in diesem Forschungsfeld. Der Prüfstand spielt eine wichtige Rolle bei der Simulation und Prüfung neuer Systeme unter thermischen Gesichtspunkten. Hier ist ein originaler Flugzeugrumpf im Einsatz, der – in drei typische Bereiche des Flugzeugs (Cockpit, Kabine und Heck) aufgeteilt – verschiedenste thermische Messungen ermöglicht. Der Flugkörper kann ausgetauscht und beispielsweise durch eine Helikopterkabine ersetzt werden. Ergänzt wird der Prüfstand durch das »AirCraft Calorimeter« (ACC) zur Simulation extremster Bedingungen wie »Rapid Decompression« (rasanter Druckabfall in der Kabine) oder einem »Thermal Shock«, das heißt extrem schnelle Temperaturveränderungen, wie sie beispielsweise durch die Beschädigung der Kabinenstruktur im Flug auftreten können. »Die Anlage wurde im Rahmen der EU-Technologieinitiative Clean Sky entwickelt und ist in der Lage, Innen- und Außenbedingungen für Flugzeuge zu simulieren, genauso wie man sie während des Fluges oder am Boden vorfindet«, erklärt der für diese Prüfeinrichtung verantwortliche Leiter, Markus Siede vom Fraunhofer IBP. Die GTTB bietet enorme Vorteile, denn durch sie reduziert sich die Anzahl echter Testflüge, sodass auf diese Weise nicht nur Kosten gespart, sondern auch die Umwelt geschont wird. Das Fraunhofer IBP zeigt auf seinem Stand im Rahmen der Paris Airshow 2015 eine detaillierte Animation zum Aufbau und den Testmöglichkeiten der GTTB.
Lokale Klimatisierung mit Wirbelringeffekt
Die Forscher am Fraunhofer IBP beschäftigen sich unter anderem auch in hohem Maße mit dem Innenraumklima in Flugzeugkabinen. In Passagierfliegern wird die Luftfeuchte aufgrund von Tauwasserproblematiken an der Außenhaut in der Regel sehr gering gehalten, was zu Behaglichkeitsbeschwerden von Fluggästen führt. Eine generelle Anhebung der Luftfeuchte ist aus diesem Grund kaum realisierbar, dennoch ist es wünschenswert, die Luftqualität im Atembereich der Passagiere zu verbessern. Gefragt ist daher eine Lösung, welche vorkonditionierte Luft mit höherer Feuchte direkt zum Passagier bringt, ohne das gesamte Luftvolumen im Sinne einer Mischlüftung befeuchten zu müssen. Die Verwendung des »Vortex-Ring-Effekts« soll solch eine lokale Klimatisierung der Luft für Passagiere an ihrem Sitzplatz erreichen. Mit Hilfe eines Linearmotors bewegen die Wissenschaftler einen Kolben sehr schnell in einem Zylinder. Dieser verdrängt durch eine kreisförmige Öffnung Luft, die dann als Wirbelring aus der Mündung strömt, auf den Brustbereich des Passagiers trifft und von ihm eingeatmet wird. Durch die Eigenkonvektion am Körper des Passagiers trifft der Luftwirbel im Brustbereich in der Wahrnehmung weitestgehend strömungsneutral auf und wird dann durch die aufsteigende Luftschicht in den Atembereich transportiert. Untersuchungsschwerpunkte liegen aktuell sowohl in der technischen Erzeugung stabiler Luftringe, der »Wurfweite«, dem Einfluss von Störluftströmungen sowie der Art und Weise der kontinuierlichen Luftkonditionierung in der Ausströmquelle. Auf dem Messestand sehen die Besucher die Erzeugung derartiger Vortexringe zur besseren Visualisierung des Effektes mit Nebel. In einem nächsten Entwicklungsschritt wollen die Fraunhofer-Forscher nun die Luft mit Feuchtigkeit anreichern und die sich einstellende Wirkung am Passagier detailliert untersuchen.
Aviation: ein breites Forschungsfeld des Fraunhofer IBP
Auch in die Europäischen Technologieinitiative »Clean Sky 2« – ein Folgeprogramm von »Clean Sky« – bringt das Fraunhofer IBP seine Kernkompetenzen aus den Bereichen Akustik, Bauchemie, Baubiologie und Hygiene sowie Ganzheitliche Bilanzierung und Raumklima ein. Besonders der Integrated Technology Demonstrator (ITD) »eco DESIGN®« hat die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Fraunhofer IBP im Luftfahrtbereich in den vergangenen Jahren geprägt. An seinem Standort in Valley bei Holzkirchen verfügt das Fraunhofer IBP über eine weltweit einmalige Testeinrichtung, die »Flight Test Facility« (FTF). In einer Niederdruckkammer befindet sich ein originales Flugzeugsegment mit rund 15 Meter Länge und Platz für bis zu 80 Probanden. Neben Untersuchungen zum Kabinenklima wird auch das Flugzeug als Gesamtsystem erforscht. Dabei werden beispielsweise Cockpit, Passagierkabine, Avionik und Frachtraum unter energetischen Aspekten und Nutzungsanforderungen betrachtet.
Im Mittelpunkt steht dabei unter anderem das Raumklima in Flugzeugen, da es häufig Quell von Beschwerden ist. Dazu sind neben menschlichen Testpersonen vor allem auch künstliche, sogenannte Dummies, im Einsatz. Der DressMAN 2.0 ist ein eigens entwickeltes Klimamesssystem des Fraunhofer IBP, das für Messungen des Innenraumklimas in Flug- und Fahrzeugen sowie im Büro verwendet wird. Ein von den Fraunhofer-Forschern neu entwickelter Sensor ermöglicht die Bestimmung der Äquivalenttemperatur. Dies ist die homogene Temperatur des gedachten Raumes mit einer Luftgeschwindigkeit gleich Null, in dem eine Person die gleiche trockene Wärme durch Strahlung und Konvektion abgibt wie in der tatsächlichen Umgebung ohne einheitliche Bedingungen.
Somit werden thermische Umgebungsbedingungen mit nur einem Zahlenwert, dem Klimasummenmaß, beschreibbar. Auf diese Weise ist es möglich, unterschiedliche Klimaszenarien vergleichend zu bewerten und schließlich das Innenraumklima zu optimieren.
Um eine geräuscharme Lösung der nächsten Generation für Hochauftriebseinrichtungen an Tragflächen zu ermöglichen, entwickelten die Forscher aus der Abteilung Akustik einen absenkbareren Vorflügel (Droop Nose, DN) für das zukünftige Turbofan-Flugzeug. Die aerodynamische und aeroakustische Leistungsfähigkeit dieser Konfiguration ist sowohl in einer Windkanal-Testreihe (WTT) als auch mit Hilfe einer Computational Fluid Dynamics- und Computational Aero-Acoustics-Analyse (CFD/CAA) nachgewiesen worden. Die mechanische Machbarkeit sowie die zu erwartenden Umweltbelastungen wurden durch einen umfassenden DN-Demonstrator überprüft. Darüber hinaus trugen die Fraunhofer-Wissenschaftler auch zur geräuscharmen Behandlung von Fahrwerken an der neuen Generation von Regionalflugzeugen bei. Die Anordnung aus dem Hauptfahrwerk und seiner Bucht wurde basierend auf der Messung mit einem akustischen Beamforming-System (akustische Kamera) optimiert. Die Wirksamkeit einer Felgenverkleidung als schallmindernde Maßnahme wurde am Bugfahrwerk sowohl im Windkanal als auch durch CFD/CAA-Analysen überprüft.
Unter den »ökolonomischen« Aspekt fällt die Weiterentwicklung des eco DESIGN® Tools ENDAMI. Während Ökobilanzen in den meisten Industriezweigen bereits Gang und Gäbe sind, hat die Luftfahrtindustrie hier noch Nachholbedarf. »Life Cycle Assessment« (LCA) ist eine genormte und anerkannte Methode, sämtliche Umweltwirkungen, die ein Produkt während seines kompletten Lebenszyklus erzeugt hat – von der Herstellung über die Nutzung bis zum Recycling oder zur Entsorgung, umfasst. Um Planern und Designern einen leichteren und vor allem unmittelbaren Zugang zu den Ökobilanzen ihrer Flugzeuge zu geben, hat das Fraunhofer IBP gemeinsam mit seinen Projektpartnern im Rahmen der europäischen Forschungsinitiative »Clean Sky« das eco DESIGN® Tool ENDAMI entwickelt. Flugzeugbauer können nun bereits im Designprozess auf einfache Art und Weise mehrere Designvarianten ihrer Flugzeuge abbilden, Technologiealternativen optimieren, und in Echtzeit dabei immer das Umweltprofil im Auge behalten.
Hintergrundinformation: Von Clean Sky zu Clean Sky 2
Mitte 2014 startete mit Clean Sky 2 der zweite Teil des europäischen Großforschungsprojekts, an dem Fraunhofer weiterhin maßgeblich beteiligt sein wird. Es ist geplant, dass die Europäische Kommission gemeinsam mit der Industrie für Clean Sky 2 zusätzlich knapp 4 Milliarden Euro aufbringt. Das Projekt soll dabei Hand in Hand gehen mit den Zielen des »Flightpath 2050«, der einen Ausblick für Luftverkehr und Luftfahrt im Jahr 2050 gibt. Auch soll es die neue Agenda für Strategische Forschung und Innovation des »Advisory Council for Aeronautics Research in Europe« (ACARE) berücksichtigen. Clean Sky 2 ist eine öffentlich private Partnerschaft unter der Council Regulation mit einer Laufzeit bis Ende 2024. Weitere Informationen finden Sie unter:
Letzte Änderung: