Das Fraunhofer IBP präsentiert nachhaltiges Baumaterial zur EXPO 2015 in Mailand
Der Rohrkolben (lat. Typha) ist eine unempfindliche Sumpfpflanze, aufgrund deren strukturellen Beschaffenheit sich Baumaterialien erzeugen lassen, die ein Alleinstellungsmerkmal in der Kombination von Dämm- und Tragwirkung aufweisen. Auf Basis dieser natürlichen Eigenschaften entwickelte der Architekt Werner Theuerkorn in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP einen magnesitgebundenen Baustoff, der alle positiven Qualitäten des Rohrkolbens vereint. Er ist statisch belastbar, schimmelresistent, gut dämmend und energiearm in der Herstellung. Er besteht nur aus dem Pflanzenmaterial und einem mineralischen Kleber und ist somit nachhaltig. Auf der internationalen Ausstellung EXPO 2015 in Mailand können sich die Besucher im Deutschen Pavillon und im Typhahouse bei Mailand von den Möglichkeiten des innovativen Baustoffs überzeugen.
Die Expo 2015 in Mailand trägt das Thema »Feeding the Planet, Energy for Life« und will damit Antworten geben auf die zukünftigen, großen Herausforderungen der Welternährung. Im Rahmen eines konzeptionellen Masterplans stellt diese Weltausstellung einen expliziten Paradigmenwechsel dar, denn sie verzichtet entschieden auf repräsentative Monumentalbauten. Am 29. Juni um 17.30 Uhr wird das Typhahouse im Rahmen der EXPO 2015 eröffnet. Es greift das Thema der diesjährigen Weltausstellung geradezu idealtypisch auf, denn das Ausstellungsgebäude wurde nicht nur aus einem nachwachsenden Rohstoff konstruiert, sondern dieser trägt durch seinen Regenerationsbeitrag von Acker- und Nutzflächen sowie der Grundwasserreinigung zudem indirekt zur Nahrungssicherung bei.
Die Wärme dämmende Baukonstruktion aus weitgehend selbsttragenden Wand-, Decken- und Bodenelementen demonstriert als begehbare Konstruktion, wie der innovative Naturbaustoff in der Praxis angewendet werden kann. Die Innenraumschale ist diffusionsoffen und mit einer dekorativen Lehmschlämme versehen, die Außenhaut wurde aus Gründen des Wetterschutzes mit Kalkschlämme verputzt. Im Inneren des Typhahouses können die Besucher anhand einer Videodokumentation den vollständigen Lebenszyklus – beginnend mit dem Anbau des Rohrkolbens, über die Ernte, die natürliche Beschaffenheit, die Weiterverarbeitung zum Baustoff sowie dessen Einbindung in die Konstruktion, bis hin zu dessen Rückführung in den Naturkreislauf – verfolgen. Vor dem Haus befindet sich ein Vegetationsteich mit Typhabepflanzung.
Das Typhahouse steht im Garten der landwirtschaftlichen Siedlung Cascina Cuccagna im Großraum Mailands. Dieser Standort wurde bewusst gewählt, um die räumliche Verbindung zur wasserreichen und landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegend zwischen Mailand, Pavia und Novara herzustellen. Vor allem das hier, aufgrund historisch gewachsener Bewässerungssysteme, entstandene Zentrum des italienischen Reisanbaus birgt das Potential, sich zu einem bedeutenden Anbaugebiet für Typha mit regionaler Produktion von ökologischen Baustoffen zu entwickeln. Der Anbau der Rohrkolbenpflanze leistet durch deren Reinigung von nährstoffbelasteten Oberflächengewässern und eine für Tierbestände störungsfreie Winterernte einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz und steht zudem nicht in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nahrungsproduktion.
Typha auf der Materialstation des Deutschen Pavillons
Auch im Deutschen Pavillon, der unter dem Motto »Nachhaltigkeit« steht, haben die Besucher der Mailänder EXPO die Möglichkeit, den regenerativen und zukunftsorientierten Baustoff Typha im Modell zu erleben. Hier stehen erste Basisinformationen zu Standort und Eigenschaften der Pflanze sowie deren Nutzung als zukunftsweisender Baustoff, der zugleich Boden-, Wasser- und Klimaschutz bedienen kann, zur Verfügung. Über die Website www.typhaboard.com können weiterführende Erläuterungen und Information zum Expo-Standort des Typhahouses sowie zu dem Forschungsprojekt abgerufen werden. Ferner ist eine Veranstaltung, die an einem Tag in der bayerischen Woche auf der EXPO vom 05. bis 11.Oktober 2015 stattfindet geplant. Das Programm und der genaue Termin werden noch rechtzeitig auf der Website bekannt gegeben.
Hintergrundinformationen:
Die Cascina Cuccagna gilt als das zentralste aller im Großraum Mailand befindlichen Bauernhäuser und wurde zum Gegenstand eines beispielhaften Stadterneuerungsprojektes. Durch die Sanierung und Wiederherstellung der alten Gebäudestruktur aus dem 17. Jahrhundert konnte neuer Raum für kulturelle und soziale Aktivitäten im Mailänder Stadtzentrum geschaffen werden. Heute ist sie zu einem beliebtem öffentlichen Treffpunkt geworden, an dem viele Aktivitäten rund um die Entwicklung alternativer Lebensstile, Ernährungsfragen, ethische Produktionsweisen beziehungsweise Lebenszyklusfragen rund um die Herstellung, Verbrauch und Wiederverwertung von Produkten entstehen können. Mit der Cascina Cuccagna wird auch ein Stück Umland in die Mailänder Innenstadt implementiert. Sie ist hierdurch in der Lage, die noch immer vorhandene enge Verbindung zwischen Stadt und Land im Alltag und Lebensstil den Besucher wieder in Erinnerung zu rufen.
Das Gesamtprojekt wurde durch den Baustoffentwickler und Architekten Werner Theuerkorn, Typha Technik und dem Fraunhofer IBP unterstützt und wissenschaftlich begleitet. Die Entwurfsidee und die Ausstellungsorganisation lagen in Händen des Architekten Bruno Franchi aus München. Für die Realisierung und Finanzierung des Ausstellungsgebäudes war die Firma Fluck Holzbau, Blumberg, verantwortlich.
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