»ForschungsWerkStadt« der Fraunhofer-Allianz Bau auf der BAU 2015
Bis 2050 werden voraussichtlich weitere drei Milliarden Menschen auf der Erde leben. Ihr Lebens-, Arbeits- und Wohnumfeld wird sich aktuellen Entwicklungen und Prognosen entsprechend auf den städtischen Raum konzentrieren. Schätzungen zufolge werden hiermit auch ein massiver Anstieg des Primärenergiebedarfs sowie eine entsprechende Zunahme der CO2-Emissionen einhergehen. Regierungen weltweit sind deshalb bereits jetzt darum bemüht, teilweise mit Hilfe ehrgeiziger Klimaschutzprogramme, heutigen wie zukünftigen Generationen eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Ein wesentlicher Schlüssel zur Erreichung dieses Ziels liegt in den Städten selbst. Grundlage hierfür sind unter anderem energieeffiziente Industrien, ein CO2-neutraler Verkehrsfluss sowie klimafreundliche Wohn- und Geschäftsgebäude. Auf der Sonderschau »ForschungsWerkStadt« der BAU 2015 (Halle C2, Stand 118/119) liefert die Fraunhofer-Allianz Bau technologische Lösungen und Antworten auf die globalen Megatrends.
»Knappe und teure Rohstoffe, steigende Energiepreise und Klimaschutz stellen auch die Bauindustrie vor große Herausforderungen. Etwa 40 Prozent der Energie wird in den industrialisierten Ländern für das Heizen und Kühlen verbraucht. Das Bauwesen, das zirka 50 Prozent aller Rohstoffe verbraucht und etwa 60 Prozent aller Abfälle produziert, ist der wichtigste Partner in diesem Prozess. Neue Gebäudesysteme, die den Energieverbrauch senken, sind deshalb ebenso unverzichtbar wie die Erforschung innovativer Baustoffe und eine zukunftsorientierte, umsichtige Planung von Gebäuden, Siedlungen und Städten«, beschreibt Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl, Vorstand Technologiemarketing und Geschäftsmodelle der Fraunhofer-Gesellschaft.
Was bedeutet das für die urbane Zukunft? Bei Planung, Bau und Betrieb müssen vielfältige Aspekte unterschiedlichen Ursprungs zwingend berücksichtigt werden. Anforderungen, die ohne ein synergetisches Zusammenspiel von Architektur, Bautechnik, technischer Gebäudeausrüstung und Stadtplanung nicht mehr zu erfüllen sind.
Verteilt auf die vier Themeninseln »Baustoffe«, »Bausysteme«, »Sicherheit« und »Morgenstadt« präsentieren insgesamt 18 Fraunhofer-Einrichtungen auf der Sonderschau »ForschungsWerkStadt« in Halle C2 (Stand 118/119) 44 Produkt- und Systemlösungen für die Bauindustrie. Zudem stellen Experten der Fraunhofer-Allianz Bau im Forum B0 unter dem Titel »Von der Vision in die Praxis« Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit vor.
Baustoffe
Die Qualität eines Gebäudes hängt unmittelbar von den Eigenschaften der verwendeten Baumaterialien ab. Der ressourceneffiziente Einsatz von Material und Energie sowie Fragen der Umweltfreundlichkeit und Gesundheitsverträglichkeit von Baustoffen sind zentrale Aspekte der Fraunhofer-Bauforschung. Sie kombiniert die bewährten Eigenschaften klassischer Baustoffe durch gezielte Weiterentwicklung mit zusätzlichen Merkmalen.
Das Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI stellt Besuchern der BAU 2015 die Vision einer multifunktionalen Fassade auf Basis nachwachsender Rohstoffe vor, die ökologisch und energetisch nachhaltig ist. Innovative, multifunktionale Fassaden integrieren neben dem traditionellen Schutz vor der Witterung auch die technische Gebäudeausrüstung. Außerdem kann durch oberflächig applizierte Solarthermie- oder Photovoltaikanlagen Energie gewonnen werden.
Die Eigenschaften von Seegras (Posidonia Oceanica) stehen unter anderem im Mittelpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeit am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT. Für das Baugewerbe interessant ist diese Meerespflanze, weil ihre Fasern schwer entflammbar sind. Durch ihre Schimmelresistenz lässt sie sich ohne chemische Zusätze als Dämmwerkstoff nutzen – etwa zur Zwischensparren-dämmung in Steildächern, zum Isolieren von Innenwänden oder um Wärmeverluste an der Gebäudehülle zu verringern. Die Fasern nehmen Wasserdampf auf, puffern ihn und geben ihn wieder ab, ohne dass die Wärmedämmfähigkeit beeinträchtigt wird.
Bausysteme
Vorgefertigte Bauteile und multifunktionale Systeme spielen in der Baubranche inzwischen eine wichtige Rolle. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: vor allem klug genutzte Synergieeffekte ermöglichen mehr Effizienz und Flexibilität.
Multifunktionale und innovative Fassadenlösungen entwickelt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Sowohl beim Neubau als auch bei Sanierungen ermöglichen vorgefertigte Fassadensysteme den gemeinsamen Einbau von Lüftungs-, Heizungs- und Sanitärsystemen mit der Wärmedämmung der Fassade. Dabei werden die Medien über entsprechende Fensterelemente in das Gebäudeinnere geführt. Neuartige fluiddurchströmte Bauteile auf Basis von Ultrahochleistungsbeton (UHPC) können zu gebäudeintegrierten Solarkollektoren oder thermoaktiven Bauteilsystemen (TABS) für Neubauten weiterentwickelt werden. Erste Baumuster, mittels Membran-Vakuumtiefziehverfahren gefertigt, weisen fraktalartige Kanalstrukturen auf, die mit dem FracTherm®-Algorithmus erstellt wurden.
Seit mehreren Jahren werden intensiv IT-gestützte Verfahren für das Bauwesen entwickelt und erprobt. Die Gebäudedatenmodellierung – kurz BIM (Building Information Modeling) ermöglicht durch die Verwendung offener, herstellerneutraler E-Business-Standards unternehmensübergreifende und medienbruchfreie Geschäftsprozesse bei der Planung, Bauausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken. Ziel ist eine dreidimensionale, computerunterstützte Entwurfs- und Ausführungsplanung in hochgradig vernetzter, Unternehmen übergreifender Teamarbeit. Dadurch sind vor allem in den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft erhebliche Effizienz- und Qualitätssteigerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekts »BIMiD – BIM Referenzobjekt in Deutschland« fungiert das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP als Konsortialführer. Beim Neubauvorhaben »Bürogebäude Haus H« der Volkswagen Financial Services setzt der Bauherr beim Planen und Bauen konsequent auf BIM. Auf der Messe BAU 2015 stellen die Fraunhofer-Forscher insbesondere Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung während der Planungs- und Bauphasen vor.
Sicherheit
Damit Gebäude zuverlässiger vor Beschädigungen, zum Beispiel durch Terrorakte oder natürliche Phänomene geschützt werden, entwickeln Fraunhofer-Institute unter anderem innovative Baustoffe, Sensoren und Simulationstools für verschiedene Bauwerkstypen. Das Ziel ist, Sicherheitsaspekte mit Aufgabenstellungen der Qualitätssicherung, der architektonischen Gestaltung sowie der Funktionalität von Bauwerken zu kombinieren.
Das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI präsentiert auf der BAU 2015 das Modell eines Blastsimulators. Dieser demonstriert die Auswirkungen eines Verkehrsunfalls auf eine bauliche Struktur in urbaner Umgebung. Die am Fraunhofer EMI entwickelten Schutzkonzepte zur Verbesserung des Widerstandsverhaltens von Mauerwerk, Stahlbeton und Glasfassaden können durch die Software auf einzelne Bauwerke angewendet werden. Das Modell visualisiert die Wirkung solcher Schutzmaßnahmen auf das Gesamttragverhalten in Abhängigkeit vom Abstand des Unfalls zum Ereignisort. Der Besucher der Fraunhofer-Sonderschau kann den Gebäuden selbst aktiv die unterschiedlichen Schutzkonzepte vergeben und deren Wirksamkeit überprüfen.
Häufiger als durch Unfälle werden Stahlbetonbauwerke wie Brücken oder Parkhäuser von Wasser und Streusalz angegriffen. Dies ist insofern problematisch, als der Schaden in der Frühphase von außen nicht erkennbar ist. Wenn erste Betonstücke abplatzen, da die Bewehrung korrodiert, ist es für eine kostengünstige Reparatur meist zu spät. Dann ist eine aufwändige Sanierung oder sogar ein Neubau erforderlich. Das Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS hat in Kooperation mit Partnern aus der Industrie ein Sensorsystem entwickelt, das die Feuchte und Korrosion im Beton erfasst. Der Sensor kann sowohl beim Bau mit einbetoniert oder aber auch nachträglich eingebracht werden. Er funktioniert ohne Batterie und die Daten können per Funk durch die überdeckende Betonschicht hindurch ausgelesen werden.
Morgenstadt
Wie wollen wir in der Stadt von morgen leben und arbeiten? Gemeinsam mit Industrie- und Städtepartnern arbeitet die Fraunhofer-Gesellschaft darauf hin, urbane Innovationen für die Stadt von morgen vorauszudenken, zu entwickeln und umzusetzen. Auf dem Stand der Fraunhofer-Allianz Bau kann der Besucher das 3D-Modell einer Stadt mit Hilfe einer Smartphone App zum Leben erwecken. Dabei erkennt die App die Konturen der gebauten Modellstrukturen und projiziert Augmented Reality Situationen zukunftsweisender Morgenstadt-Projekte auf die Modelloberflächen. Über die virtuellen Modelle werden relevante Themen der Morgenstadt wie autonomes Fahren, Urban Gardening, Urbane Produktion oder energieerzeugende Fassaden erfahrbar.
Expertenforum: Von der Vision in die Praxis
Das Forum B0 der Messe BAU 2015 wurde von drei Institutionen gestaltet: Dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, dem Bundesarbeitskreis Altbauerneuerung e.V. und der Fraunhofer-Allianz Bau. Über die komplette Messezeit können sich hier Besucher von Experten informieren lassen. Dabei untersteht jeder Messetag einem anderen Oberthema.
Die Vorträge von Vertretern der Fraunhofer-Allianz Bau finden Interessierte gebündelt im Internet.
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