Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP auf der Messe »denkmal« in Leipzig
Ob das Museum in Aleppo oder die am besten erhaltene Kreuzritterburg des Orients in Syrien, Krak des Chevaliers: Kriegshandlungen zerstören weltweit immer wieder bedeutendes Weltkulturerbe. Doch nicht nur Gewalt, die vom Menschen ausgeht, auch die Natur bedroht unser kulturelles Erbe. Am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP forscht eine Reihe von Wissenschaftlern an Lösungen, um beispielsweise historische Gebäude in Stand zu halten und vor dem Zahn der Zeit zu schützen. Auf der »denkmal 2014«, der Europäischen Messe für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung, in Leipzig sind nun Ergebnisse zu sehen, die dieses Ziel greifbar machen. Von 6. bis 8. November präsentiert das Fraunhofer IBP auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 2, Stand H30, innovative Projekte und Materialanwendungen rund um die Themen Denkmalpflege, Restaurierung und Konservierung sowie Bauen und Sanieren im historischen Bestand.
Jahrhunderte alte Gemälde, wertvolle Möbel und kostbare Textilien – das sind nur einige der unersetzlichen Kulturgüter, die weltweit in Museen, Schlössern oder anderen historischen Gebäuden erhalten werden. In Nordeuropa droht ihnen in den kommenden Jahren zunehmend der Verfall durch Schimmelpilze, weil bis zum Jahr 2100 vor allem im Winter die Niederschlagsmenge stetig zunehmen wird. Südlich des 50. Breitengrades werden vermehrt Hitzeperioden den Kulturschätzen zusetzen, wenn nicht entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden. Zu diesen Ergebnissen kam das wissenschaftliche Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer IBP im Rahmen des EU-Forschungsprojekts »Climate for Culture«. Über fünf Jahre hat das multidisziplinäre Team, bestehend aus Chemikern, Physikern, Meteorologen, Ozeanografen, Restauratoren, IT-Spezialisten, Wirtschaftswissenschaftlern, Kunsthistorikern und Biologen an einer Vorgehensweise gearbeitet, die Folgen des globalen Klimawandels für das materielle Kulturerbe zuverlässig abzuschätzen, dementsprechende Risikobewertungen vorzunehmen und Maßnahmen zum Erhalt historischer Bauten und Kulturschätze zu entwickeln. Erstmals wurden in diesem Projekt Klimadaten in diesem Umfang zusammengetragen und in hygrothermische Simulationsmodelle eingespeist. Zwei dieser Softwareprogramme hat das Forschungsteam zudem so erweitert und angepasst, dass mit ihnen nun auch Berechnungen für historische Gebäude gemacht werden können. Die Resultate sind nun anschaulich auf dem Fraunhofer-Messestand für die Öffentlichkeit dargestellt.
Energy Efficiency for EU Historic Districts Sustainability, kurz EFFESUS
Auch die Europäische Union hat sich für die kommenden Jahre hohe Ziele gesetzt: Ihre Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, bis 2020 20 Prozent ihrer Primärenergie einzusparen und damit auch die C02-Emissionen deutlich zu senken. Deutschland arbeitet mit der Energiewende bereits zielstrebig an diesem Vorhaben. Historische Gebäude bzw. Stadtquartiere haben in diesem Zusammenhang bislang leider nur wenig Beachtung gefunden. Aus diesem Grund wurde das EU-Projekt EFFESUS mit einem Gesamtbudget von 6,7 Millionen Euro ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens, an dem von Seiten der Fraunhofer-Gesellschaft das Fraunhofer IBP und das Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa MOEZ beteiligt sind, steht die Betrachtung historischer Stadtquartiere und Baudenkmäler in Europa unter energetischen Aspekten. Der Fokus richtet sich dabei sowohl auf die energetische Effizienz einzelner Gebäude, von Ensembles und Stadtquartieren, als auch auf deren Versorgung durch erneuerbare Energien. Auf der Messe hat das Fachpublikum die Möglichkeit, sich zu diesem Projekt zu informieren. Am Beispiel der Stadt Bamberg zeigen die Forscher unterschiedliche städtebauliche Ansichten, die eine denkmalsgerechte Quartierslösung demonstrieren.
Barocker Dachstuhl in neuem Licht
Die Alte Schäfflerei im bayerischen Kloster Benediktbeuern dient den Fraunhofer IBP-Forschern als »Gläserne Baustelle«. Unter denkmalfachlichen und eneregtischen Gesichtspunkten wird das historische Gebäude Stück für Stück instand gesetzt. Auf diese Art fördert das Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Benediktbeuern aktiv den Wissenstransfer zwischen Denkmalpflege, Baupraxis, Forschung und Industrie. Im Mittelpunkt steht dabei die Auseinandersetzung mit Baudenkmälern, schützenswerter Altbausubstanz und Bauphysik. Zielgruppe des Fraunhofer-Zentrums sind Architekten, Ingenieure, Fachplaner, Handwerker, Denkmalpfleger, Energieberater, Bauherren und Kommunen. Auf dem Stand der diesjährigen »denkmal« können die Besucher ein Modell des restaurierten barocken Dachstuhls mit hölzernem Aufzug betrachten, der vermutlich bereits im Zuge der Dachstuhlerrichtung im 18. Jahrhundert eingebaut wurde.
Reversible Innendämmung für Baudenkmäler und Bestandsbauten
Teile des Forschungsprojekts »EnOB: Energetische Untersuchungen und Optimierung von Innendämmung« werden ebenfalls in den Räumlichkeiten der Alten Schäfflerei im Fraunhofer-Zentrum Benediktbeuern vorangetrieben. Bei dem Forschungsprojekt »Innendämmungen« stehen innovative Materialien zur Innendämmung im Baubestand sowie die Weiterentwicklung vorhandener Produkte für die Denkmalpflege im Fokus. Hierbei ist vor allem die Frage der Reversibilität von großer Bedeutung. Innenraumoberflächen in historischen Gebäuden sind oft mit einer Vielzahl von übereinander liegenden Farbfassungen, also bunten und teilweise ornamentalen Anstrichen, versehen. Diese Schichten sind materielle Zeugnisse der Vergangenheit und geben Aufschluss über den jeweiligen Zeitgeschmack. Beim Einbau von Dämmplatten werden diese Oberflächen üblicherweise mit Montageklebern verdeckt, die wiederum bei einem späteren Rückbau diese historischen Befunde mit ablösen und zerstören. Ziel des Projektes ist daher die Entwicklung von Systemen für eine rückbaubare Montage der Innendämmung, die bei einfacher Applikation mit einem möglichst geringen Verlust an wertvoller, historischer Bausubstanz auskommt. Dazu werden verschiedene Varianten betrachtet, von kaschierenden Zwischenschichten bis hin zu vorgeständerten Trockenbaukonstruktionen, die die originalen Oberflächen schützen sollen. Anhand des Exponats ist ein Beispiel für eine derartige Innendämmmaßnahme und das Ergebnis eines erfolgreichen Rückbaus zu sehen.
Neuer Baustoff für alte Fachwerkhäuser
Als Wasserpflanze ist der Rohrkolben (lat. Typha) gegen Feuchtigkeit bestens gewappnet. Gerbstoffe schützen ihn vor Schimmel und der Aufbau der Blätter macht ihn leicht und stabil. Aufgrund der vielen positiven Eigenschaften entwickelte die Firma typha technik Naturbaustoffe in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Fraunhofer IBP eine magnesitgebundene Dämmplatte aus Rohrkolben, die alle Qualitäten des Rohrkolbens vereint. Sie ist belastbar, schimmelresistent, hochdämmend, energiearm in der Herstellung, rein biologisch und nachhaltig. Das Fraunhofer IBP hat nun mit Unterstützung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und den Altstadtfreunden Nürnberg die Sanierung eines Fachwerkhauses in der Nürnberger Altstadt mit diesem Dämmmaterial wissenschaftlich begleitet. Das erfolgreich abgeschlossene Pilotprojekt präsentieren die Forscher nun auf der »denkmal«. Im Schnittmodell ist unter anderem ein schichtweiser Aufbau mit zweilagriger Verlegung des mineralisch gebundenen Typhaplattenmaterials in einer Fachwerkkonstruktion abgebildet. Darüber hinaus haben die Fraunhofer-Mitarbeiter die Einbettung des Wandheizzungssystems im Innenputz aus Lehm sowie die äußere Beschichtung der Typhaplatte mit Putz und Anstrich im Gefachbereich visualisiert.
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