Im Auto gut durchatmen
Eine Klimaanlage im Auto gehört heutzutage zur Standardausstattung. Im Sommer kühl, im Winter warm, die Scheiben frei von Beschlag und dazu auch noch gute Luft. Diesen Komfort möchten die meisten Menschen längst nicht mehr missen. Kürzlich sorgte jedoch eine gemeinsame Meldung des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) für ein Aufhorchen: Demnach wird die Lufthygiene und dabei insbesondere die Funktion der Klimaanlage, in Fahrzeugen häufig unterschätzt. Jeder dritte Pkw-Innenraum ist mit Bakterien und Schimmel grenzwertig bis stark belastet. Grund dafür ist meist eine nicht sachgemäße Reinigung der Klimaanlage bzw. der versäumte Austausch der dazugehörigen Filter. Am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP steht die Luftqualität in Innenräumen bereits seit vielen Jahren im Fokus der wissenschaftlichen Arbeiten. Dabei untersuchen die Forschenden der Abteilung Umwelt, Hygiene und Sensorik sowohl die Raumluft in Gebäuden als auch im Inneren von Verkehrsmitteln.
Mit der Klimaanlage ihres Wagens beschäftigen sich Autofahrende meist erst dann, wenn üble Gerüche aus den Lüftungsdüsen ins Fahrzeuginnere strömen. Verursacht werden diese häufig von Pilzen und Bakterien, die auf den Verdampferoberflächen der Fahrzeugklimaanlagen geeignete Wachstumsbedingungen vorfinden. Die global häufigsten Mikroorganismen auf Verdampferoberflächen gehören zu den Bakteriengattungen Sphingomonas und Methylobacterium. Letztere konnten auch auf Verdampfern von in Deutschland gefahrenen PKWs nachgewiesen werden. Diese Bakterien produzieren flüchtige organische Verbindungen (MVOC), die beim Einschalten der Fahrzeugklimaanlage für die unangenehmen Gerüche im Fahrzeuginnenraum verantwortlich sind.
Im Rahmen einer Untersuchung von Verdampfern aus drei unterschiedlichen Fahrzeugen mit Störgerüchen, prüften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IBP geruchsaktive Kondensatproben hinsichtlich Emissionen in die Innenraumluft und analysierten darin enthaltene flüchtige organische Verbindungen (VOC) mittels Gaschromatografie-Massenspektrometrie. Zudem nahmen die Forschenden während einer orientierenden mikrobiologischen Untersuchung den Biofilm aus den Kondensaten unter die Lupe und bestimmten die vorhandenen Bakterien und Pilze. Dabei kamen Kultivierungsverfahren und Mikroskopie sowie molekularbiologische Methoden wie PCR zum Einsatz. Zuletzt wurden die Kondensatproben durch zwei sensorisch geschulte Proband*innen einer Geruchsbewertung unterzogen. Das Fraunhofer IBP verfügt über geschultes Personal, das Geruchscharakteristika von Materialien oder Innenräumen nach nationalen und internationalen Normen sowie industriellen Richtlinien bewerten kann.
Untersuchungen und Literaturrecherche führen zu neuen Forschungsansätzen
Ergänzend zu den Analysen von Fahrzeuginnenraumluft, Kondensatproben von Verdampfern, Nachweis und Charakterisierung von Biofilm von Verdampferoberflächen, sowie Prüfung von verschiedenen Reinigungsmitteln auf ihre Wirksamkeit, wurden die Ergebnisse der Untersuchungen mit den Daten einer wissenschaftlichen Literaturrecherche abgeglichen. Dabei zeigte sich, dass die Rechercheergebnisse mit den eigenen Untersuchungen aus realen Proben korrelierten.
Aus dem Projekt leiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Forschungs- und Entwicklungsansätze ab. So wäre u. U. eine Optimierung der Verdampferoberflächen hinsichtlich der Topografie oder der Materialeigenschaften geeignet, um der Bildung des Biofilms entgegenzuwirken. Durch die Entwicklung alternativer Reinigungsmittel oder präventiver Maßnahmen könnten Organismen abgetötet, der Biofilm in Verdampfern reduziert und damit auch Störgerüche beseitigt werden.
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