In Deutschland kommt es täglich zu 3000 Leitungswasserschäden, das entspricht bis zu 1,1 Millionen Schäden pro Jahr. Die Kosten belaufen sich dabei jährlich auf rund zwei Milliarden Euro (Quelle: GDV). Häufig liegen die Ursachen bei undichten veralteten Leitungen, Frost-Tau-Wechsel und Montagefehlern. Allzu oft bleiben Schäden an Wasserleitungen lange unbemerkt und werden erst durch feuchte Stellen an Wänden und Decken sichtbar oder wenn sich das Wasser am Fußboden seinen Weg gebahnt hat. Bis dahin kann es schon zu einer weiträumigen Ausbreitung der Feuchte in verschiedenen Bauteilen gekommen sein. Auch das Auftreten von extremen Wetterereignissen mit Starkregen und Überschwemmungen kann zu erheblichen Wasserschäden an Gebäuden führen. Die bei dem Bau von Gebäuden anfallende Neubaufeuchte ist ebenso nicht zu unterschätzen, da durch die Verwendung von Wasser zur Herstellung von Estrich, Putz, Beton usw. auf der Baustelle große Mengen an Feuchtigkeit anfallen, die anschließend wieder aus den Baustoffen und Bauteilen entweichen.
Umso wichtiger ist es, das hygrothermische Verhalten von Baustoffen und ganzen Bauteilen bei der Einwirkung von Wasser zu kennen und zu beurteilen, um im Schadensfall nach Möglichkeit den Ausgangszustand durch geeignete Trocknungsmaßnahmen wiederherstellen zu können. Bautrocknungsfirmen stehen zunehmend vor neuen Herausforderungen, denn beim Bau von Gebäuden werden die unterschiedlichsten Baumaterialen, wie Hochlochziegel mit und ohne Wärmedämmung, Vollziegel, Porenbetonsteine etc. ebenso wie dampfdichte Folien beliebig miteinander kombiniert. Um eine optimale und energiesparende Trocknung zu erreichen und für jeden Schadensfall die geeignete Trocknungsmethode auswählen zu können ist ein umfangreiches Spezialwissen notwendig.
Am Fraunhofer IBP in Stuttgart wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von Versuchen durchgeführt, um das Trocknungsverhalten von Wand-, Fußboden- und Deckenaufbauten nach einem künstlich erzeugten Wasserschaden zu untersuchen. Ein großer Klimasimulator im Technikum des Fraunhofer IBP in Stuttgart bietet dafür die optimalen Voraussetzungen. Mit einer Länge von sieben Metern, einer Breite von sechs Metern und einer Höhe von ebenfalls sechs Metern besteht die Möglichkeit den Aufbau von unterschiedlichen Bauteilen, kompletten Baukörpern, Dachkonstruktionen und individuellen Prüfaufbauten zu realisieren. Die klimatischen Randbedingungen können so während der Versuche optimal geregelt werden.
Die Forscherinnen und Forscher der Abteilung Hygrothermik haben im industriellen Auftrag in den letzten Jahren die verschiedensten Baumaterialen und Bauteile bezüglich ihres Trocknungsverhaltens untersucht. Es wurden beispielsweise komplette Prüfaufbauten, bestehend aus unterschiedlichen Fußbodenaufbauten, Wänden und Deckenkonstruktionen errichtet. Die Fußböden bestanden dabei zum Beispiel aus Betonplatten, gegebenenfalls einer Dämmschicht (EPS, Mineralwolle, Perlite) und einer Estrichschicht. Bei den Wänden wurden Hochlochziegel mit und ohne Dämmmaterial, Porenbetonsteine, Gipswandbauplatten, Vollziegel und Leichtbauwände jeweils mit und ohne Fliesen und Putze verwendet. Des Weiteren wurde das Trocknungsverhalten von Holzbalkenkonstruktionen als Deckenaufbau mit Schlacke- und Lehmpelletfüllung untersucht. Die Prüfaufbauten wurden mit einer Vielzahl von Messsensoren ausgestattet, um den Bewässerungs- und Trocknungsvorgang optimal nachvollziehen zu können. In den Fußbodenschichten, innerhalb der Wand- und Deckenaufbauten sowie zur Überwachung der Raumluft kamen verschiedene Feuchte- und Temperatursensoren zum Einsatz. Die Aufbauten wurden zu Beginn jedes Versuchs für mehrere Tage bewässert, um so einen künstlich erzeugten Wasserschaden zu simulieren. Dabei erfolgte die Bewässerung der Wand- und Fußbodenaufbauten jeweils über die Fußböden (Bild 1) und bei den Deckenaufbauten über die Oberseite der Decken. Anschließend erfolgte eine mehrwöchige Trocknungsperiode. In einigen Versuchen wurde das Trocknungsverhalten der Prüfaufbauten zunächst bei natürlicher Trocknung untersucht. Dazu herrschte eine konstante Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit im Klimasimulator. In weiteren Versuchen erfolgte nach der Bewässerung eine technische Trocknung mit verschiedenen Trocknungsgeräten.
Es kamen beispielsweise Unterestrichtrocknungssysteme mit Adsorptionstrocknern, Infrarotstrahlungsheizplatten zur Wand‑, Fußboden- und Deckentrocknung sowie Adsorptionstrockner zur Wandflächentrocknung mit Folienzelt zum Einsatz (Bild 2). Die Zwischenräume der Holzbalkendecken wurden zusätzlich im Unterdruck mittels Turbinen getrocknet (Bild 3). Die mechanische Trocknung erfolgte teilweise kontinuierlich und teilweise im Intervallbetrieb. Einige der im Labor durchgeführten Versuche wurden mit Hilfe des Verfahrens zur Berechnung des gekoppelten Wärme- und Feuchtetransports in Bauteilen WUFI® rechnerisch nachvollzogen.
Aus den Messdaten konnten umfangreiche Kenntnisse über das Trocknungsverhalten der verschiedenen Prüfaufbauten und eingesetzten Materialien in Abhängigkeit der eingesetzten Trocknungsmethode gewonnen werden. Durch die zahlreichen Messsensoren war es möglich den Trocknungsvorgang in den Bauteilschichten gut nachzuvollziehen und Anpassungen hinsichtlich der Trocknungsmethode zu treffen. Die gewonnenen Ergebnisse ermöglichten es, die Trocknungsvorgänge bezüglich ihrer Wirksamkeit zu bewerten und bestimmte Trocknungsmethoden zu optimieren. Dabei erwies sich auch ein möglicher Intervallbetrieb der Trocknungsgeräte in bestimmten Fällen als sinnvoll. Zusätzlich wurden die Prüfaufbauten auf einen möglichen Schimmelpilzwachstums hin untersucht.
Die vorhandenen Laboratorien und das umfangreiche Wissen der Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IBP bezüglich der Bautrocknung bieten eine hervorragende Ausgangssituation zur Erprobung der unterschiedlichsten Trocknungs- und Bauteilvariationen. Es können individuelle Aufbauten und Trocknungsmethoden realisiert und gegebenenfalls rechnerisch mit Hilfe der Simulationssoftware WUFI® eine Vorabschätzung des Trocknungsverhaltens und der Trocknungsdauer getroffen werden.