Auch wenn das Klima feuchtwarm ist, können Passivhäuser funktionieren...
Dazu notwendig sind jedoch angepasste Werkzeuge zur Planung und Projektierung. In den USA wurden Passivhäuser bisher nach dem Standard PHIUS+ zertifiziert. Dieser entspricht im Wesentlichen dem deutschen Passivhausstandard. Die Wirtschaftlichkeit basiert dabei auf der Rechnung, dass sich höhere Ausgaben für z. B. die Dämmung des Gebäudes durch die Einsparung einer teuren wassergeführten Heizung und durch den gesenkten Energiebedarf amortisieren. In den USA ist dieser Spareffekt jedoch weniger ausgeprägt: Zum einen werden dort in der Regel sehr viel günstigere Luftheiz- und Kühlsysteme eingesetzt, zum anderen liegen die Kosten für fossile Brennstoffe deutlich niedriger als in Europa.
Dabei bietet der Einsatz passiver Bauprinzipien wesentlich mehr Vorteile als nur den geringeren Energieverbrauch: Tageszeitliche Klimaschwankungen, die in Teilen der USA deutlich ausgeprägter sind als in Mitteleuropa, wirken sich weniger stark aus – das Raumklima ist ganzjährig angenehm. Auch unter extremen Wetterbedingungen, die zum Teil zu mehrtägigen Stromausfällen führen, nimmt das Gebäude keinen Schaden.
Betrachtet man bisher zertifizierte Projekte in den USA, so zeigt sich: Soll der Passivhausstandard wirtschaftlich übertragen werden, müssen die enthaltenen Vorgaben an die unterschiedlichen Klimata angepasst werden. Die Arbeitsgruppe »Hygrothermische Gebäudeanalyse« des Fraunhofer IBP unterstützte das nordamerikanische Passivhausinstitut PHIUS dabei auf zweierlei Weise: Die Forscher begleiten die Entwicklung eines klimaangepassten Passivhausstandards und implementierten diesen in die bereits etablierte Gebäudesimulations-Software WUFI® Passive.
Eine Software für viele Fragestellungen
Bereits die Ursprungsversion von WUFI® Passive – erstmals verkauft 2012 – entstand aus der Kooperation zwischen dem Fraunhofer IBP und PHIUS. Das Ziel lag darin, ein Planungspaket zu entwickeln, das an die Anforderungen und Bedürfnisse der amerikanischen Passivehouse Community angepasst war. Im Gegensatz zum moderaten Klima im Zentrum Europas macht das feuchtwarme Klima, das in einigen Regionen der USA herrscht, das Kühlen und Entfeuchten der Raumluft nötig. Daraus ergeben sich feuchtetechnische Fragestellungen, die mit dem üblichen Monatsbilanzverfahren nicht hinreichend beantwortet werden können. Bereits in der ersten Version der Software berücksichtigten die Forscher diesen Umstand: Die Software ermöglicht es sowohl das Gebäude in der Planungsphase energetisch auszulegen und zu zertifizieren als auch die einzelnen Bauteile und das ganze Gebäude hygrothermisch dynamisch zu betrachten. Somit können die hygienischen Verhältnisse, die Schadensfreiheit des Gebäudes sowie der Komfort der Bewohner auch langfristig sichergestellt werden.
Entwicklung eines klimaangepassten Passivhausstandards
In einem nächsten Schritt unterstützte die Arbeitsgruppe das nordamerikanische Passivhausinstitut PHIUS bei der Entwicklung eines klimaangepassten Passivhausstandards, der auch die anderen Bautraditionen in den USA berücksichtigt: den Standard PHIUS+ 2015. Der Hintergrund: Durch die Vorgaben des ursprünglichen Passivhausstandards war der energiesparende Baustil bisher in vielen Regionen kaum wirtschaftlich anwendbar und resultierte zum Teil in Gebäuden mit unkomfortablen Bedingungen. Er fand somit nur geringe Akzeptanz. Die Forscher wollten daher Vorgaben definieren, die ambitioniert den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß reduzieren, gleichzeitig aber kosteneffektiv sind. Dazu ermittelten sie für mehr als hundert Standorte klimaabhängige Grenzwerte, etwa für den Jahresheiz und Kühlbedarf oder auch für die Spitzenheiz und Spitzenkühllast. Anschließend integrierten sie das Verfahren in WUFI® Passive.
Das Ergebnis: Die Software des Fraunhofer IBP ist aktuell das Standardtool, wenn es um die Auslegung und Zertifizierung von Passivhausprojekten in den USA geht. Neben der Vollversion gibt es nun auch die kostenfreie Version WUFI® Passive Free. Sie findet großen Anklang: Innerhalb eines halben Jahres kamen mehr als 500 neue Nutzer hinzu. Die freie Version bietet die Möglichkeit, ein Projekt umfassend auszulegen und zu zertifizieren. Die dynamische hygrothermische Simulation ist allerdings nur in der Vollversion verfügbar.
Ihre Erfahrungen aus den USA will die Arbeitsgruppe nun auch bei der Entwicklung von passiven Gebäude in China einbringen: Sie will den dortigen Partnern helfen, Richtlinien und Standards zu entwickeln, die an Klima und Nutzerverhalten angepasst sind.