Ein neues Untersuchungsverfahren
Die Anbringung einer Innendämmung stellt in vielen Fällen die einzige Möglichkeit zur Verbesserung des Wärmeschutzes in einem Gebäude dar. Zur Vermeidung von Tauwasserbildung auf der Rückseite der Dämmschicht wird üblicherweise eine Dampfbremse oder -sperre auf der raumseitigen Oberfläche angebracht. Diese reduziert jedoch auch das sommerliche Trocknungspotential.
Ein Trend geht daher zur Verwendung diffusionsoffener Konstruktionen unter Verwendung kapillaraktiver Dämmstoffe – Materialien also, die aufgrund ihrer Struktur dazu in der Lage sind, anfallende Feuchte aufzunehmen und weiterzuleiten. Sie können so zu einem ausgeglichenen Feuchtehaushalt beitragen. Zur Überprüfung des Feuchteverhaltens und der Funktionalität derartiger Materialien sind die bisher üblichen, auf Basis der freien Bewitterung ermittelten Kennwerte jedoch häufig nicht ausreichend genau.
Am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Standort Holzkirchen, wurde daher ein neuer Laborversuch entwickelt, der im Folgenden als »Kapi-Test« bezeichnet ist (Aufbau siehe Bild 2). Durch die Bestimmung exakter Kennwerte für den kapillaren Rücktransport in Innendämmungen ermöglicht er zuverlässige Aussagen über deren tatsächliche Regulierungsfunktion.
Hierbei wird – in Imitation der tatsächlichen Randbedingungen in der Einbausituation – die Ermittlung der Kapillaraktivität von Innendämmungen durchgeführt, ohne Kontakt mit flüssigem Wasser sowie unter nicht-isothermen Randbedingungen, mit entgegen gesetztem Dampf- und Flüssigtransport.
Für den Versuch wird ein prismatischer Probenkörper an fünf Seiten (seitlich und hinten) abgedichtet und ist nur mit der Vorderseite in Kontakt mit dem Raumklima einer Klimakammer. An der Rückseite der Probe wird ein Kühlelement angebracht, mit dessen Hilfe die Taupunkttemperatur des Raumklimas unterschritten wird. Der einsetzende Diffusionsstrom aus dem Innenraum führt zum Anstieg der relativen Feuchte im rückwärtigen Probenbereich. Hierdurch entsteht ein zunehmender Flüssigtransport zurück in den wärmeren – noch trockeneren – Vorderbereich des Probenkörpers. In Abhängigkeit von den Randbedingungen und den Materialeigenschaften stellt sich so – bei ausreichendem kapillarem Rücktransport – ein Gleichgewichtszustand ein, bei dem sich die gegenläufigen Feuchtetransportvorgänge die Waage halten.
Mittels regelmäßig erfolgender gravimetrischer Messung sowie Kernspinspektroskopie werden Feuchteaufnahme und -verteilung bestimmt. Die eigentliche Ermittlung der Flüssigtransportkennwerte wird dann mit hygrothermischen Simulationen durchgeführt.
Die Diagramme 1, 2 und 3 (siehe Bildergalerie unten) zeigen anhand des hydrophilen, mineralischen und sehr feinporigen Materials Calciumsilikat exemplarisch die Messergebnisse des Kapi-Tests. Vergleichend dargestellt sind zudem die Ergebnisse der numerischen Simulation mit Flüssigtransportkoeffizienten auf Basis der neuen, sowie herkömmlicher Messmethoden.
Insbesondere zu Beginn der Versuche ist eine starke Gewichtszunahme (Diagramm 1) zu beobachten. Wie die Feuchteverteilung (Diagramm 2) zeigt, steigt der Feuchtegehalt zuerst auf der gekühlten Rückseite der Probe an. Im weiteren Verlauf schwächt sich die zu beobachtende Wasseraufnahme immer mehr ab, die Feuchte verteilt sich über einen größeren Probenbereich. Nach drei bis vier Wochen wird ein Gleichgewichtszustand bei einem Gesamtwassergehalt von etwa 49 kg/m³ erreicht.
In der numerischen Simulation wird mit den auf Basis der Kapi-Tests ermittelten Kennwerten (blaue Kurve) sowohl bezüglich der absoluten Wassergehaltszunahme, als auch bezüglich der Feuchtverteilung im ausgleichsfeuchten Zustand (Diagramm 3) eine gute Übereinstimmung mit den Messwerten erzielt. Die Simulationen mit Kennwerten auf Basis der für die freie Bewitterung ermittelten Testverfahren (Wasseraufnahmeversuch, Weiterleitungsversuch) zeigen hingegen deutlich niedrigere Wassergehalte und ein früheres Erreichen des Gleichgewichtszustands.
Die Messungen zeigen, dass mit Hilfe der neuen Testmethode genauere Kennwerte für die Berechnung des kapillaren Rücktransports zur Verfügung stehen. Mittels hygrothermischer Simulation auf Basis dieser Kennwerte kann im Weiteren das Verhalten und die Funktionalität innengedämmter Konstruktionen realitätsnah und unter Berücksichtigung gemessener, instationärer Klimarandbedingungen überprüft werden. Sowohl die Beurteilung der Anwendungssicherheit, als auch eine eventuelle Weiterentwicklung der Systeme kann somit zuverlässiger abgebildet werden als mit den bisherigen Verfahren.