Ein vielversprechender Weg zur Reduzierung des auftretenden Tauwassers an Fassadenflächen ist die Verwendung von »IR-Anstrichen« (IR = infrarot). Hier konnte der Emissionsgrad für langwellige Strahlung durch eine Zugabe spezieller Pigmente von über 90 Prozent auf zum Teil unter 60 Prozent gesenkt werden. Im Freigelände des Fraunhofer IBP sind Wärmedämmverbundsysteme mit IR-Anstrich aufgebaut und messtechnisch untersucht worden (Bild 1).
Zur Charakterisierung der Anstriche werden die strahlungstechnischen Kennwerte bestimmt. Der kurzwellige Strahlungsabsorptionsgrad beschreibt den Anteil der von einer Oberfläche absorbierten Sonneneinstrahlung im Wellenlängenbereich 250 bis 2500 nm (ultraviolett, sichtbar, nahes Infrarot). Je höher der Absorptionsgrad, desto stärker erwärmt sich eine Oberfläche. Je niedriger der Emissionsgrad, desto geringer ist sowohl tagsüber als auch nachts der langwellige, thermische Strahlungsaustausch mit der Umgebung. Die Oberfläche bleibt also tagsüber wärmer und kühlt auch nachts weniger aus. Der langwellige Emissionsgrad wird durch Messung der spektralen Reflexionsgrade im Wellenlängenbereich zwischen 2,5 und 50 nm mit einem Fourier-Interferometer bestimmt (Emissionsgrad = 1–Reflexionsgrad).
Testflächen mit den beiden Anstrichen werden messtechnisch untersucht. Dazu sind die Anstriche auf ein bestehendes Wärmedämmverbundsystem aufgebracht, bestehend aus 240 mm Kalksandsteinmauerwerk und 80 mm Mineralwolle-Dämmung. Zur Bestimmung der Oberflächentemperaturen sind in die außen liegende Putzschicht Temperatursensoren eingebaut. Zur Bestimmung oberflächlich anhaftenden Wassers werden Zellstoffmatten definierter Größe zugeschnitten, im trockenen Zustand gewogen, auf die Fassadenoberfläche aufgelegt und gut angedrückt. Durch anschließend erneutes Wiegen der Matten wird die Oberflächenfeuchte ermittelt. Der zeitliche Verlauf der Abtrocknung lässt sich durch wiederholtes Abtupfen bestimmen. Bild 2 zeigt beispielhaft das Abtupfen an einer Wandfläche.
Der untersuchte IR-Anstrich weist einen Absorptionsgrad von 0,20 und einen Emissionsgrad von 0,65 auf. Für den Vergleichsanstrich wird ein Absorptionsgrad von 0,16 und ein Emissionsgrad von 0,88 ermittelt. Aus den gemessenen Oberflächentemperaturverläufen lassen sich mit Hilfe der Klimadaten, die an der Fraunhofer IBP-eigenen Wetterstation gewonnen werden, die Zeiten mit Tauwasser an der Fassade bestimmen. Vergleicht man die Dauer der Taupunkttemperaturunterschreitung für den Untersuchungszeitraum von einem Jahr in Stunden, zeigt der IR-Anstrich um 13 Prozent kürzere Betauungszeiten. Deutlicher wird der Unterschied, wenn man die Taupunktunterschreitungsdauer gewichtet in Kelvin x Stunde betrachtet. Über das Jahr gesehen ergibt sich dann für den IR-Anstrich eine Reduzierung von 28 Prozent.
Das Diagramm zeigt die Oberflächentemperaturverläufe der beiden Anstriche im Vergleich zur Taupunkttemperatur für einen ausgewählten Zeitraum. Die Oberflächentemperatur des IR-Anstrichs liegt tagsüber und nachts deutlich über jener herkömmlicher Farbe. Die Oberflächenfeuchte wurde mehrmals im Untersuchungszeitraum bestimmt. Während auf der Fläche mit dem Vergleichsanstrich mehrfach Tauwassermengen zwischen 10 und 25 g/m² abgetupft werden konnten, war die Fläche mit IR-Anstrich trocken. Zu keinem Zeitpunkt konnte auf dem IR-Anstrich Tauwasser abgetupft werden.
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Anstrich mit reduziertem Emissionsgrad zu einer deutlichen Reduzierung der Tauwasserzeiten an der Fassadenoberfläche führt. Dies konnte mittels Oberflächentemperatur- und Oberflächenfeuchtemessung im Freiland belegt werden.
Rechnerische Untersuchungen haben gezeigt, dass auf der Süd- und Ostseite eines Gebäudes die Dauer der Taupunkttemperaturunterschreitung um etwa 15 Prozent geringer ist als auf Nord- und Westseite. Da auf diesen beiden Seiten selten mikrobieller Bewuchs auftritt, ist davon auszugehen, dass eine Reduzierung der Tauwasserzeiten an der Fassadenoberfläche um 15 Prozent das Auftreten mikrobiellen Bewuchses wirksam verhindert.