Die individuelle Bewertung der gehörten Umwelt beruht auf einer Gesamtbilanz von akustischen Reizen, die nahezu überall und ständig präsent sind. Die jeweilige Intensität, Dosis und Charakteristik der Schallereignisse sowie eine Reihe von Begleitfaktoren führen zu einer Gesamtwirkung, die immer häufiger das erträgliche Maß überschreitet. Was aber ist das erträgliche Maß? Sind die einzelnen Lärmquellen zu laut, treten sie zur »falschen Zeit am falschen Ort« oder an zu vielen Orten auf? Fachleute antworten darauf mit Zahlen aus Verordnungen und Richtlinien, die für die meisten Betroffenen unverständlich sind. Darunter leiden Diskussionen und Planungsprozesse. Es fehlt ein Bindeglied, das subjektive Geräuschwahrnehmung, technische Minderungsmaßnahmen und festgelegte Lärmgrenzwerte in einen hörbaren Bezug setzen kann. Das ist ein klarer Fall für die Auralisation, die heute online und in neuer Dimension möglich ist. Hinter dem vom Fraunhofer IBP entwickelten Auralisationsinstrument steckt ein eigenständiger Browser, der die verschiedenen Geräusche einer Gesamtlärmsituation in Echtzeit synthetisiert. Ausgangspunkt sind zahlreiche Schalldateien, deren Veränderungen auf frei wählbaren Übertragungswegen simuliert werden und sich als Hörprobe beurteilen lassen.
Ein Novum stellt z. B. das »Mischpult« für den Straßenverkehr dar. Um auf nahezu jede Verkehrssituation eingehen zu können, werden aus Geräuschdateien mit Einzelvorbeifahrten und ermittelten Verkehrszahlen die entsprechenden Verkehrsgeräusche generiert. Diese und andere Geräusche sowie Schallschutzwände und -fenster, Flüsterasphalt und andere Lärmschutzmaßnahmen werden hörbar kombiniert und auralisiert. Das im Internet frei zugängliche Programm eröffnet die Möglichkeit, sich auch ohne Fachwissen kraft eigenen Gehörs einen Eindruck von veränderten Umgebungsgeräuschen oder möglichen Minderungsmaßnahmen zu verschaffen. Natürlich trägt das Auralisationsprogramm auch zum Verständnis akustischer Zusammenhänge und Effekte bei. Dazu dienen einige informative Module und das »Hörspiel« mit akustisch relevanten Parametern z. B. von Lärmschutzwänden. Der modulare Aufbau des Programms ist zugleich die Voraussetzung für geplante Erweiterungen, z. B. ein »Ampelmodul« zur realistischen Darbietung urbaner Verkehrsszenarien sowie die Implementierung von Fahr- oder Flugplänen. Das entwickelte Auralisationsinstrument macht unsere Welt zwar nicht leiser, aber es hat das Potenzial, viele schwierige Diskussionen über Umgebungslärm zu versachlichen.