Gewusst wie – mit WUFI® Plus zum Gebäude nach Wunsch

Forschung im Fokus Mai 2012

Wer hat als Kind nicht gerne mit seinen Legosteinen gespielt? Ein Stein auf den anderen entstanden nach und nach Häuser oder gar ganze Städte. Vier Mauern – nach Möglichkeit mit Fenstern und Türen – ein Dach und fertig war das Legohaus. Wenig Gedanken haben wir uns damals darüber gemacht, was dieses Haus alles aushalten muss, welchem Wetter es ausgesetzt ist und welche Auswirkungen das auf seine Bewohner bzw. letztlich auf das Haus selbst hat. Wer jedoch aus seiner Leidenschaft für das Bauen letzten Endes einen Beruf gemacht hat, muss sich genau mit solchen Themen befassen. Dabei gilt es unter anderem so wesentliche Fragen zu klären, wie: Welche Auswirkungen haben die Nutzer bzw. die Nutzung von Gebäuden auf das hygrothermische Verhalten und die Interaktion zwischen Gebäudehülle und Raum? Wie können Gebäude geplant werden, damit sie ihrer Umgebung sowie ihren Bewohnern optimal angepasst sind? Und vor allem, wie können sämtliche Parameter und Eventualitäten – vom Außen- zum Innenklima über den Energiebedarf hin zu den Anforderungen ans Raumklima der Bewohner – bereits vor dem Bau bedacht und ihre Auswirkungen dargestellt werden? Schließlich sollen beispielsweise Schäden am Bau möglichst schon im Vorfeld vermieden werden. Mit der zunehmenden Nutzung von erneuerbaren Energien als Hauptenergiequellen kommen weitere Fragen hinzu: Wie kann ein Gebäude mitsamt seiner Anlagentechnik beispielsweise auf Schwankungen des Energieangebots reagieren? Welche Auswirkung hat das auf Temperaturen und Feuchteverhältnisse im Gebäude und Bauteilen?


Mit diesen Fragen beschäftigen sich Florian Antretter und sein Team von der Hygrothermischen Gebäudeanalyse am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Eine ihrer zentralen Aufgaben ist neben dem hygrothermischen Gebäudemonitoring, also der Aufzeichnung und Bewertung von Temperatur- und Feuchteverhältnissen sowie des Nutzerverhaltens, auch die hygrothermische Gebäudesimulation, in welche aus dem Monitoring gewonnene Erkenntnisse einfließen. Auf diese Weise haben die Wissenschaftler das Simulationstool WUFI ® Plus mitentwickelt und so die Softwarefamilie »Wärme und Feuchte instationär« des Fraunhofer IBP erweitert. »Die bisherigen Versionen von WUFI erlauben die realitätsnahe Berechnung des instationären hygrothermischen Verhaltens von mehrschichtigen Bauteilen unter natürlichen Klimabedingungen. Bei WUFI ® Plus wird der Blick auf das ganze Gebäude inklusive der Heizung und Belüftung gerichtet. Diese Weiterentwicklung ist ein wichtiger Schritt, um Praktiker im Architektur- oder Ingenieurbüro in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen«, versichert der Fraunhofer-Forscher. Ein wesentliches Ziel der Software ist es, bereits im Vorfeld Schäden am Gebäude zu vermeiden.

»Hygrothermische Fragestellungen im Gebäude sind oft von mehreren Einflüssen abhängig. Schimmelpilzwachstum kann beispielsweise durch kritische Detaillösungen, durch hohe Feuchteproduktion im Raum, durch nicht ausreichende Lüftung oder eine Kombination verschiedener Faktoren auftreten«, erklärt der Ingenieur weiter. Vor allem komfortbezogenes Verhalten der Gebäudenutzer führt häufig zu Problemen. Diese Auswirkungen lassen sich dank WUFI ® Plus auch in unterschiedlichen Klimaregionen dieser Welt darstellen. WUFI ® Plus erlaubt beispielsweise nicht nur die Beurteilung von richtigem Lüftungsverhalten zur Vermeidung von Schimmelpilzwachstum, sondern auch von Verschattungsstrategien zur Verringerung sommerlicher Überhitzung, des Einflusses von thermischen und hygrischen Speichermassen auf den Gebäudeenergiebedarf und das Raumklima sowie des hygrothermischen Gebäudeverhaltens bei extremer oder intermittierender Nutzung.

Mithilfe der Simulationssoftware können Architekten Modelle erstellen und ihr Gebäude unter realistischen Bedingungen darstellen. »Man könnte WUFI ® Plus eine Entscheidungshilfe für den optimalen Bau nennen«, erklärt Antretter und ergänzt: »Damit können Lösungsansätze zum Vermeiden kritischer Bedingungen, zur Verbesserung des hygrothermischen Komforts und zur Verringerung des Energieverbrauchs entwickelt werden.« Zu hohe Luftfeuchte lässt sich beispielsweise durch übermäßig dimensionierte Anlagentechnik im Dauerbetrieb vermeiden. Mit wenig Aufwand lassen sich hier jedoch hohe Kosteneinsparungen für Anschaffung und Betrieb erreichen, wenn man mit WUFI ® Plus die richtige Auslegung und einen an die Nutzung angepassten Betrieb ermittelt.

Besonders stolz sind die Softwareentwickler am Fraunhofer IBP auch auf die leichte Bedienbarkeit von WUFI ® Plus. »Bei den meisten Tools, die bislang in diesem Bereich auf dem Markt sind, erfordert die Bedienung oft eine lange Einarbeitung und intensive Hintergrundkenntnisse«, sagt Antretter. »Der Vorteil von WUFI ® Plus ist die intuitive Benutzerführung sowie die Unterstützung bei der Ergebnisbewertung. Rein theoretisch wäre unsere Software auch für den einfachen Häuslebauer verwendbar, allerdings bräuchte er zur Ergebnisbewertung zumindest einige bauphysikalische Kenntnisse.« Mit einigen Anpassungen ist die Software sowohl für ein einfaches Einfamilienhaus als auch für ein 50-stöckiges Hochhaus anwendbar. »Sämtliche Standardproblemstellungen, die auftreten können, sind mit WUFI ® Plus erfass- und berechenbar«, erklärt Antretter.

Das Programm findet allerdings nicht nur im Einsatz bevor Gebäude errichtet werden, sondern genauso bei historischen Gebäuden, wie beispielsweise Schlössern. Diese leiden besonders unter den Folgen des Klimawandels, hinzu kommen häufig weitere Belastungen, wie die immer stärkere Auslastung durch den Tourismus. Wissenschaftler des Fraunhofer IBP unterstützen deshalb betroffene Schlösserverwaltungen oder anderen Organisationen dabei, Lösungen für diese Probleme zu finden. WUFI ® Plus ist dabei zentrales Element, wenn es darum geht, sowohl die hygrothermischen Bedingungen in Räumen historischer Gebäude, als auch Wärmeverluste durch Transmissionen, Verdunstung und Lüftung zu berechnen. Die Software ist als eines der wenigen Gebäudesimulationstools in der Lage, die kritischen Schwankungen der Feuchte und deren Dämpfung durch Feuchtepufferung darzustellen. Beides ist sowohl bei der Bewertung historischer als noch zukünftiger Bausubstanz sehr wichtig.

Zunächst konzentrieren sich die Wissenschaftler am Fraunhofer IBP auf die neuen Möglichkeiten, die sich durch WUFI ® Plus ergeben. So arbeiten sie beispielsweise gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysyteme an der Integration innovativer Anlagentechnik, um mit der Software Lösungen für neue Herausforderungen auf Gebäudeebene, die sich durch die Energiewende ergeben, zu entwickeln. Doch letztlich ist hier noch lange nicht Schluss, auch in Zukunft soll die WUFI-Softwarefamilie des Fraunhofer IBP weiter wachsen. Antretter hat bereits ein – wenn auch fernes – Ziel vor Augen: »Mit den Möglichkeiten, die sich uns durch die Software erschließen, sollen langfristig nicht mehr nur einzelne Gebäude erfasst und berechnet werden, sondern ganze Stadtquartiere.«
(ate)

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