Herrscher über das Wetter – zumindest in der großen Klimakammer am Fraunhofer IBP in Stuttgart

Forschung im Fokus März 2015

Einmal Wettergott sein! Was für die einen ein frommer Wunsch bleiben dürfte, ist Alltag für Andreas Zegowitz und sein Team von der Gruppe Wärmekennwerte und labortechnische Klimasimulation. Sie haben die Macht über das Wetter, zumindest in ihrem Labor am Fraunhofer IBP in Stuttgart. Dort können sie es winterlich frostig werden lassen oder aber sommerlich heiß. Auch die Regelung der relativen Feuchte sowie von Schnee, Regen und Sonne sind für sie kein Problem. Zuletzt haben sie in der großen Klimakammer, einer der Versuchseinrichtungen, in der sie über das Wetter bestimmen können, sogar eine Flut simuliert. »Hier testen und erforschen wir mit diversen Baukonzernen neue Bauprodukte«, erläutert Zegowitz. »Die hygrothermischen Untersuchungen, die wir durchführen, sind ganz unterschiedlich. Unsere Projektpartner und Auftraggeber sind interessiert an Wärmeströmen und -brücken in ihren Bauteilen, ob und wo sich Tauwasser bildet, wie der Feuchtetransport funktioniert und wie sich Klimawechselbelastungen im Allgemeinen auswirken.« Dafür stehen dem Ingenieur und seinen Mitarbeitern neben dem großen Klimasimulator, auch ein Drei-Kammer-Klimasimulator sowie mehrere Klimakammern und -schränke zur Verfügung – je nachdem wie groß die Teile sind, die sie untersuchen sollen. »Bis hin zu großen Fassadenelementen können wir fast alles in einem unserer Klimaprüfstände unterbringen.«

Das jüngste Projekt befasste sich mit der Frage nach dem Trocknungsverhalten von Fußbodenaufbauten mit Estrich und EPS-Dämmschichten sowie von Wänden in Ziegelbauweise. »Über eine Million Wasserschäden werden in Deutschland jedes Jahr aufgrund undichter Wasserleitungen registriert. Darüber hinaus mehren sich Schäden durch Überschwemmungen«, erklärt Zegowitz. Neue Baustoffe und Bausysteme können den Firmen, die für die Durchführung der Trocknungsarbeiten zuständig sind, ihre Aufgabe erschweren. Ziegelsteine sind heutzutage mit Dämmmaterial gefüllt oder die Gebäude haben eine Innen- bzw. Außendämmung. Hinzukommen dampfdichte Folien und vieles mehr. »Baumaterialien gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen und in fast beliebigen Kombinationen. Das erfordert Spezialwissen, um die richtige Trocknungsmethode auszuwählen«, weiß Zegowitz. Die Firma, in deren Auftrag das Fraunhofer IBP diese Untersuchung durchgeführt hat, hat ein neues Trocknungsverfahren für Wände entwickelt: die so genannte Lanzentrocknung. Deren Effektivität sollten Zegowitz und sein Team unter anderem testen. Im Vergleich untersuchten die Wissenschaftler zwei weitere gängige Trocknungsverfahren aus der Praxis, die Unterestrichtrocknung - einmal mit Adsorptionstrockner, einmal ohne - für die Fußböden sowie die Infrarottrocknung für die Wände.
»Dazu haben wir im großen Klimasimulator vier Mini-Testhäuser gebaut und diese dann unter Wasser gesetzt«, erklärt Zegowitz den Versuchsaufbau. Um die Testhäuschen fluten zu können, haben die Forscher das Beregnungssystem ein wenig umgebaut, sodass aus einer Wasserquelle am Boden konstant Wasser austrat, und den Boden so stets mit einer Schicht von fünf bis sieben Zentimetern bedeckt hielt. »Um auf Nummer sicher zu gehen, haben wir diesen Pegel zwei Wochen lang gehalten«, erläutert Zegowitz. Doch bereits nach drei Tagen war der finale Schaden eingetreten, der Fußboden und vor allem die Wände der Versuchshäuser hatten sich kräftig vollgesogen. »Wände ziehen Wasser und geben es nur ungern wieder ab«, erläutert der Fraunhofer-Forscher die Problematik. »Deshalb sind effektive Trocknungsmethoden umso wichtiger.«
In drei der vier Versuchsgebäude haben die Wissenschaftler die Trocknungsverfahren in verschiedenen Kombinationen getestet. Das vierte Haus diente als Referenzobjekt. »Bei jedem Bau bleibt eine gewisse Baufeuchte bestehen«, erläutert Zegowitz, »diese mussten wir aus den Daten, die wir in den anderen Testobjekten gesammelt haben, herausrechnen. Nur so kann die Effektivität der Trocknungsmethoden wirklich berechnet werden.« Bei dieser Versuchsreihe wurde die Effektivität von Unterestrichtrocknungen mit Adsorptionstrockner, mit einem sogenannten Randschutentrocknungssystem und Trocknung mit Umgebungsluft untersucht. Die Wände wurden auf natürliche Weise, d.h. ohne zusätzliches Trocknungsgerät, mit Infrarotstrahlungsheizplatten und mit der neu entwickelten Lanzentrocknung getrocknet. »Insgesamt funktionierten fast alle Trocknungsvarianten, die wir getestet haben, zuverlässig. Allerdings haben wir bei der Trocknung mit den Infrarotstrahlungsheizplatten festgestellt, dass deren Wärme das 36 Zentimeter dicke Mauerwerk mit Wärmedämmung nicht vollständig durchdrungen hat«, so Zegowitz weiter. »Hier hat sich die neue Lanzentrocknung als effektive Methode erwiesen.«
Inzwischen ist der große Klimasimulator wieder trocken gelegt, die Versuchshäuschen wurden abgebaut und die nächsten Untersuchungen können starten. Zegowitz und sein Team haben im Laufe der Jahre schon viele spannende Tests durchgeführt: So haben sie beispielsweise die Wärmedurchgänge von Schienenfahrzeugabschnitten ermittelt oder die Vereisungsgefahr von Flugzeugteilen im klimatisierten Windkanal nachgestellt. Sie sind außerdem der Fragen nachgegangen, wie funktionssicher und dauerhaft Verschattungssysteme in Scheibenzwischenräumen bei Winddruck-Sogbelastung, Temperatur- und Feuchtewechseln sowie künstlicher Besonnung sind. Auch die Vereisungsgefahr von Hochspannungskabeln haben sie ermittelt und dafür sogar künstlichen Schnee hergestellt. Neben den häufigeren Klimauntersuchungen an neuen Fassadenbauteilen gibt es regelmäßig auch exotische Untersuchungen. »Für einen Whirlpool-Hersteller haben wir beispielsweise geprüft, ob seine Whirlpools auch bei extremen Minustemperaturen von -20 bis -30 Grad im Freien tadellos arbeiten«, schildert der Forscher. »Da steckt ganz schön viel Elektronik dahinter, die muss bei solchen Temperaturen funktionieren«, und fügt mit einem Lächeln hinzu: »Wie der Whirlpool ansonsten funktioniert, haben wir nicht getestet. Das liegt leider nicht in unserem Zuständigkeitsbereich.«
(ate)

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