Frankfurt am Main, die Stadt, die bekannt ist für die Alte Oper, das Goethe-Haus, aber auch für moderne Gebäude wie den Main Tower oder als Sitz für Deutschlands bedeutendste Börse, hat Ziele. Genauer gesagt hat Frankfurt kurz-, aber auch langfristige Ziele, die den Klimaschutz bis 2050 betreffen. Zu dem Begriff »Klimaschutz« spuckt Google rund 34 Millionen Treffer aus. Diese decken ein breites Themenspektrum ab: angefangen bei der Gletscher- und Polkappenschmelze bis hin zu Unternehmen und Produkten, die eine weitere globale Erwärmung verhindern oder zumindest reduzieren sollen. Doch Frankfurts Pläne verlieren sich nicht in den Weiten des WorldWideWebs, sondern umfassen ein Energiekonzept, das die Mainmetropole zur »Green City« machen und ihr den Titel »Europäische Umweltstadt« einbringen soll. Mit Hilfe der Förderung durch den »Masterplan 100% Klimaschutz« des Bundes konnte sich die Stadt den Herausforderungen der Energiewende und des 100-prozentigen Klimaschutzes stellen sowie einen konkreten Plan erarbeiten.
Um die gesetzten Schwerpunkte Energieeffizienz und den Einsatz von erneuerbaren Energien im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor voranzutreiben, hatte sich das Energiereferat externes Know-how ins Boot geholt. Ein Teil des Teams bestand aus der ehemaligen Abteilung Energiesysteme des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Kassel. Die Mitarbeiter beschäftigten sich dort in erster Linie mit der effizienten Energieversorgung von Gebäuden und Gebäudegruppen bis zur Siedlungs- und Stadtebene. »Nach exergetischen Prinzipien werden Bedarfs- und Versorgungsseite im Energiesystem Stadt aufeinander abgestimmt und optimiert«, erklärt der damalige Projektleiter des Fraunhofer IBP, Patrick Schumacher. »Wir wollen in Frankfurt Maßnahmen erarbeiten, die der Stadt eine 50-prozentige Reduzierung des Endenergiebedarfs erlauben und den benötigten Restbedarf aus erneuerbaren Energien gewinnen.« Dabei standen die drei Sektoren Wärme, Strom und Verkehr im Fokus der Wissenschaftler.
Ausgangsbasis war eine detaillierte Analyse der Verbräuche in diesen drei Sektoren. Dazu lieferten das Energiereferat, Verbände und Unternehmen der Stadt Frankfurt am Main Zahlen. Damit konnten Schumacher und seine Gruppe hochrechnen, welche Energiebedarfe wo, also beispielsweise in Rechenzentren, Gewerbebetrieben, Industrie, Einzelhandel und natürlich auch in den Haushalten, derzeit benötigt, beziehungsweise verbraucht werden. Die Quadratmeterzahlen von Photovoltaik- oder Solaranalagen flossen zum Beispiel ebenso in die Berechnungen ein wie die Anzahl und Verteilung von Passiv- und Plusenergiehäusern, Biomasseanlagen oder Fernwärmeanschlüssen in den einzelnen Stadtvierteln. Außerdem wurden in der Bestandsaufnahme wirtschaftliche oder organisatorische Hemmnisse wie die teilweise mangelnden Fahrradwege oder Ladestationen für E-Bikes berücksichtigt. Ein weiteres Untersuchungskriterium war der Frankfurter Verkehr: Welchen Anteil haben öffentliche Verkehrsmittel, der Personennahverkehr und welchen Radfahrer und Fußgänger? »Aufbauend auf diese umfangreiche Analyse konnten wir den Status Quo in der Energieversorgung ermitteln und eine Vielzahl an Maßnahmen entwickeln, mit denen sowohl der Energiebedarf als auch die CO
2-Emissionen reduziert werden«, so Schumacher.
Die Forscher machten sich bei der Entwicklung der Maßnahmen unter anderem die Gegebenheiten der Stadt Frankfurt zu Nutze. So liegt beispielsweise unter der Innenstadt in 100 bis 140 Metern Tiefe eine Wärmeblase mit Temperaturen von über 20 Grad Celsius. Diese, im zugänglichen Teil der Erdkruste gespeicherte Wärme, genannt oberflächennahe Geothermie oder Erdwärme, kann indirekt genutzt werden – etwa mit Hilfe von
Wärmepumpen zum Heizen oder Kühlen verwendet werden. Die Projektverantwortlichen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 rund 15 bis 20 Prozent des Wärmebedarfs durch Geothermie gedeckt werden könnte.
Zudem findet sich in und um Frankfurt eine größere Anzahl von Rechenzentren. Im Jahr 2010 lag die Gesamtfläche bereits bei 400.000 Quadratmetern. Hochrechnungen haben ergeben, dass bei der linearen Fortführung des Flächenanstiegs von 1995 bis 2010 im Jahr 2050 800.000 Quadratmeter von Rechenzentren belegt wären. Diese verbrauchen einen großen Anteil Strom, sowohl um die Server am laufen zu halten, aber vor allem auch um die dabei entstehende Wärme abzuführen. Anstatt mit dieser Klimatisierung teure Energie einfach weg zu kühlen und damit wertvolle Abwärme einfach verpuffen zu lassen, könnte diese künftig beispielsweise ins Fernwärmenetz eingespeist werden und so das Wasser nahegelegener Schwimmbäder oder sogar ganze Gebäude heizen. Ein ähnlicher Synergieeffekt besteht beispielsweise auch bei der Abwärme aus U-Bahn-Schächten.
Diese Beispiele sind nur Teile des Maßnahmenkatalogs zur Reduzierung von Energie und CO
2-Emissionen. »Darüber hinaus entwickeln wir ein komplettes Wärmeversorgungskonzept, eine so genannte Wärme-Roadmap für die Stadt, ein Mobilitätskonzept sowie einen Plan zur Stromeinsparung. Wir werden drei verschiedene Szenarien darstellen, mit deren Hilfe die Klimaschutzziele der Stadt Frankfurt bis 2050 erreicht werden«, erklärt Schumacher den Umfang des Vorhabens. Ein weiteres großes Potenzial schlummert zum Beispiel im Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungssektor (GHD-Sektor). Hier könnte ein effizienteres Energiemanagement ebenso große Einsparungen bergen wie im Bereich der Nahmobilität. Anreize zu schaffen, dass die Bürger mehr zu Fuß gehen, Carsharing nutzen oder auf vermehrt ausgebauten Schnellradwegen vom Auto aufs Rad umsatteln, würden sich laut der Fraunhofer-Forscher in jedem Fall positiv auf Energie- und Emissionsbilanz auswirken.
Neben diesem Generalkonzept sind die Wissenschaftler außerdem an der Entwicklung von drei detaillierten Stadtteilkonzepten beteiligt. Zunächst wird eine energetische Analyse erstellt, die Quartier, Gebäude und Infrastruktur berücksichtigt. Darauf basierend beinhaltet das Arbeitspaket des Fraunhofer IBP die Erstellung von Lösungen, um den Wärmebedarf in den Stadtteilen zu reduzieren und eine maßgeschneiderte Wärmeversorgung aufzuzeigen. Die Identifizierung und Umsetzungsvorbereitung von konkreten Pilotprojekten gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie die Ableitung von Synergieeffekten und der Zielabbildung der konkreten Szenarien. Auch hier liegt der Fokus auf der Betrachtung der Wärmebedarfsreduzierung und -versorgung. Gefragt sind innovative Ansätze und Lösungswege für eine grüne Zukunft der Stadt. (taf)
Weitere Informationen: