Einen ganz besonderen »Garten« beherbergt das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in seinem Biologielabor. Doch was hier wächst und gedeiht, wollen die meisten Gärtner eigentlich nicht in ihrem Gewächshaus haben. Seit gut zehn Jahren pflegen die Mitarbeiter der Biologie unter der Leitung von Dr. Wolfgang Hofbauer Algen, Schimmelpilze sowie weitere Mikroorganismen. Es ist zwar nicht die einzige Sammlung in Deutschland, dennoch ist sie einzigartig. Der Grund dafür liegt zum einen in ihrer inhaltlichen Ausrichtung, denn sie besteht sowohl aus photosynthetisch aktiven Organismen (Algen) sowie aus photosynthetisch nicht aktiven (Pilze und Bakterien). Der zweite Grund liegt in der »Arbeit«, die die Mikroorganismen verrichten: Sie befallen Bauteile. Ursprünglich haben die Wissenschaftler die Organismen aus Schadensfällen am Bau isoliert. Nun dürfen die Algen und Pilze im Biologielabor sowie auf der Freilandversuchsfläche des Fraunhofer IBP in Holzkirchen weiterhin ihrem Zerstörungsdrang nachgehen – wenngleich nur unter strenger wissenschaftlicher Aufsicht, als so genannten »Lebenddatenbank«.
»Begonnen haben wir mit der Sammlung bauteilrelevanter Mikroorganismen im Winter 2001«, erinnert sich Dr. Wolfgang Hofbauer. »Damals haben wir an einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und diversen Industriepartnern geförderten, interdisziplinären Forschungsprojekt mitgearbeitet.«
Untersucht haben die Wissenschaftler Möglichkeiten, mit bauphysikalischen Methoden den mikrobiellen Bewuchs von Fassaden zu verhindern oder zumindest einzuschränken. Eine wesentliche Aufgabe des Vorhabens bestand zudem darin, ein Prognoseverfahren zu erstellen, mit dessen Hilfe die Eignung der vorgeschlagenen Vermeidungsstrategien bewertet werden kann. Und seither haben die Biologen am Fraunhofer IBP die ungewöhnliche Sammlung gepflegt und weiter aufgebaut. Inzwischen enthält sie zirka 650 Einzelkulturen. »Das ist allerdings nur geschätzt«, betont Dr. Wolfgang Hofbauer. Diese Kulturen wiederum erwachsen aus etwa 400 einzelnen Stämmen bzw. ungefähr 250 Arten. Das kann für den Laien schon verwirrend sein, doch die Biologen des Fraunhofer IBP kennen jede einzelne Kultur in ihrer Obhut. »Das ist wie mit Hunden«, erklärt Dr. Wolfgang Hofbauer. »Es gibt den Haushund, doch der sieht ja nicht immer gleich aus. Es gibt verschiedene Hunderassen, die sich in ihrer Physionomie und in ihren Fähigkeiten unterscheiden. Das ist bei Algen und Pilzen genauso.« Deshalb hat das Biologielabor so viele einzelne Kulturen bzw. Stämme. »Eine Art hat meist mehrere Stämme, die sich in dem unterscheiden, was sie können. So sind manche Pilze beispielsweise hitzeresistent, andere können trotz wenig Nahrung gut überleben.« Damit die Mikroorganismen in der Sammlung des Fraunhofer IBP in ihren Petrischalen und Reagenzgläsern leben können, müssen die Mitarbeiter im Labor sie regelmäßig umsetzen. Die meisten Schimmelpilze können nur einige Wochen auf demselben Nährboden bleiben. »Entweder ist nach dieser Zeit das Futter verbraucht oder die Pilze beginnen sich mit ihren Ausscheidungen selbst zu vergiften«, so Dr. Wolfgang Hofbauer. Zu den bekanntesten Ausscheidungen von Pilzen zählen Alkohol, den zum Beispiel der Hefepilz produziert, oder Antibiotika. Algen sind in dieser Hinsicht etwas genügsamer. Weil sie weniger »Futter« brauchen und auch weniger Ausscheidungen produzieren, sie müssen nur etwa alle sechs Monate umgesetzt werden. Eingesetzt werden die Mikroorganismen unter anderem um verschiedenste Tests und Untersuchungen mit ihnen durchzuführen: So forschen Dr. Wolfgang Hofbauer und sein Team beispielsweise an intelligenten Materialien, die erst gar keinen mikrobiellen Bewuchs zulassen, oder sie führen biologische Materialtests nach Normen, externen Vorgaben oder selbst entwickelten Standards durch. Der außergewöhnlichste Fund, an den sich Dr. Wolfgang Hofbauer erinnert, ist dem Wissenschaftler nicht so sehr wegen der Seltenheit der Pilzspore im Gedächtnis geblieben, sondern vielmehr wegen des Fundortes. »Wir haben ein Schwimmbad untersucht, das Probleme mit Schimmelpilzbefall hatte. Dabei haben wir eine einzige Spore eines Pilzes in unseren Proben entdeckt, der eigentlich nur im Wald, auf sehr verrotteten Baumstämmen zu finden ist. Bei einer einzigen Spore kann man natürlich nicht von Befall sprechen, doch behalten haben wir sie trotzdem«, sagt Dr. Wolfgang Hofbauer. Doch er hat die Spore nicht nur behalten, er hat sie wachsen lassen, »weil sie so schöne geweihartige Strukturen bildet«.