Mit Schäden am Bau beschäftigen sich die Gebäudenutzer meist erst, wenn diese bereits entstanden sind – zu spät, denn Reparaturen sind aufwendig und häufig auch sehr teuer. Eine der wesentlichen Grundlagen der bauphysikalischen Forschungsarbeit besteht daher darin, Baustoffe und ihre Eigenschaften bereits im Vorfeld umfassend zu untersuchen, ihre Schwachstellen zu erkennen und dabei zu helfen, diese zu beheben. Im Bereich der Hygrothermik sind am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP Dr. Cornelia Fitz und ihre Mitarbeiter für »Feuchtetechnische Prüfungen und Dauerhaftigkeitstests im Freiland« zuständig. »Wer baut, braucht eine gewisse Sicherheit«, erklärt Fitz und beschreibt weiter: »Feuchte, die durch Regen beispielsweise in Ziegel eindringt und nicht austrocknen kann, führt bei Frost zu Schäden an der Mauer.« Dies wollen sowohl Hersteller als auch Gebäudenutzer möglichst vermeiden. Unter anderem deshalb gibt es am Fraunhofer IBP fünf Klimaräume und ein großes Freilandversuchsgelände – hier können sowohl unter Labor- als auch unter realen Klimabedingungen Baustoffe auf ihr hygrothermisches Verhalten hin untersucht werden.
Zu den zentralen Aufgaben von Fitz‘ Arbeitsgruppe gehört die Bestimmung von feuchtetechnischen Materialkennwerten, die beispielsweise für die Zulassung neuer Baustoffe oder ebenso für die zunehmend wichtiger werdenden Simulationen im Vorfeld von Bauvorhaben gebraucht werden. Dabei untersuchen die Wissenschaftlerin und ihr Team die unterschiedlichsten Baustoffe – vom Porenbeton über Holz bis hin zu Wärmedämmverbundsystemen.
In den vergangenen Jahren haben vor allem bei Sanierungen von historischen Gebäuden Innendämmungen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Durch die Anbringung des Dämmmaterials an der Innenseite ergeben sich hier andere Fragestellungen als bei Außendämmungen, die Fitz und ihr Team ebenfalls regelmäßig untersuchen. »Speziell zur Untersuchung des Flüssigtransports kapillaraktiver Dämmstoffe haben wir ein neues Laborverfahren entwickelt, mit dem das Feuchteverhalten von Materialien unter den speziellen Randbedingungen beim Einsatz von Innendämmungen praxisgerecht charakterisiert werden kann«, erklärt Fitz. Hierzu werden zunächst kleine Probenkörper aus dem zu untersuchenden Material angefertigt. Anschließend werden sie nach fünf Seiten – an den vier Seiten und hinten – abgedichtet. Die Rückseite der Probe wird an ein Kühlelement angebracht, mit dessen Hilfe die Taupunkttemperatur des Raumklimas unterschritten wird. Die Vorderseite wird einem definierten Raumklima ausgesetzt. Der einsetzende Wasserdampfdiffusionsstrom von der Klimakammer in Richtung Probenrückseite erzeugt einen Anstieg im Wassergehalt, insbesondere im rückwärtigen, gekühlten Probenbereich. Die Wasserdampfmoleküle lagern sich in den Poren des Materials ab. Ab einem bestimmten Feuchteniveau setzt dann der Flüssigkeitstransport in den Kapillaren ein, der der Diffusion entgegengerichtet ist. Kapillaren sind Poren mit sehr kleinen Innendurchmessern. Im Vergleich zu größeren Poren fallen hier die so genannten Oberflächeneffekte stärker ins Gewicht. Flüssigkeiten steigen aufgrund ihrer Oberflächenspannung in Kapillaren auf; aufgrund der Absenkung des Siedepunkts in der Kapillare kondensieren sie zudem leichter. Durch den flüssigen Rücktransport in den Kapillaren reichert sich weniger Feuchte in den Materialien an; bei ausreichender Kapillaraktivität kommt die Aufnahme sogar ganz zum Erliegen.
Um bestimmen zu können, wie viel Feuchte eine Probe aufgenommen hat und wie diese sich verteilt, wiegen die Wissenschaftler die Proben während des Versuchs regelmäßig und durchleuchten sie im Kernspin. Die Ermittlung der Flüssigkeitstransportkennwerte wird anschließend mithilfe hygrothermischer Simulation durchgeführt.
Wichtig ist die Frage nach dem Feuchtetransport unter anderem deswegen: »Durch die Anbringung einer Innendämmung wird die Außenwand kaum noch von innen gewärmt. Regnet es, wird die Wand – wie zuvor auch – feucht, allerdings kann sie nun nicht mehr so gut austrocknen wie ohne Dämmung und bleibt feuchter. Dadurch können verschiedene Schäden entstehen, wie zum Beispiel durch Frost oder den Bewuchs mit Algen«, erklärt Fitz.
Wie gut Bauteile Feuchte transportieren, ist generell eine entscheidende Frage am Bau. Ein weiterer wichtiger Kennwert zur Beurteilung des Feuchteschutzes von Baustoffen ist die Wasserdampfdurchlässigkeit, da insbesondere die Trocknung von Konstruktionen durch sie bestimmt wird. Im Feuchtelabor des Fraunhofer IBP charakterisieren die Wissenschaftler daher auch laufend die Dampfdiffusionswiderstandszahl von Baustoffen. Sie beschreibt den Wasserdampfdiffusionswiderstand eines Materials im Vergleich zu ruhender Luft bei Normaldruck.
Dazu wird eine plattenförmige Probe des zu prüfenden Materials als oberer Abschluss auf ein Gefäß gesetzt und dampfdicht mit dessen Rand verbunden. Bei der Prüfung befinden sich je nach Feuchtebereich in dem Gefäß entweder ein Trocknungsmittel oder eine gesättigte Salzlösung zur Einstellung einer konstanten relativen Luftfeuchte. Anschließend kommen die Gefäße in einen Klimaraum mit konstanter Temperatur (23 Grad Celsius) und Luftfeuchte (entweder 50, ggf. auch 65 oder 80 Prozent). Das »dry-cup«-Verfahren wird bei einem Feuchtebereich zwischen 0 bis 50 Prozent relativer Feuchte und das »wet-cup«-Verfahren bei einem Feuchtebereich zwischen 50 bis 100 Prozent relativer Feuchte durchgeführt. Auch dabei ist regelmäßiges Wiegen der Proben unerlässlich. Denn: Unter dem Einfluss des Wasserdampfpartialdruckgefälles zwischen den an der Oberfläche des Prüfmaterials angrenzenden Lufträumen diffundiert Wasserdampf durch die Proben hindurch. Nach Einstellen eines stationären Diffusionsstromes ergibt sich eine pro Zeiteinheit konstante Gewichtsänderung des Messgefäßes, welche dem Diffusionsstrom entspricht.
Doch nicht alle Prüfungen, die Fitz und ihr Team vornehmen, finden im Labor statt. Seit über 60 Jahren werden am Fraunhofer IBP Untersuchungen im Freiland gemacht. Die Innendämmungen, die im kleinen Maßstab in den Klimaräumen auf ihre Feuchtedurchlässigkeit hin untersucht werden, setzen die IBP-Forscher auch realen Klimabedingungen aus. Entlang einer rund 100 Meter langen Testhalle (West- oder Ostseite) können ganze Bauteilelemente sowie einzelne Baustoffe flexibel eingesetzt und ausgetauscht werden. Hier sind sie dem Wetter ausgesetzt, wobei im Inneren der Halle – wie im Labor auch – Temperatur und Raumluftfeuchte auf einem bestimmten Niveau gehalten werden. Bei diesem Versuchsaufbau testet Fitz derzeit die verschiedensten am Markt angebotenen Innendämmmaterialien. »Das ist keine Auftragsforschung, sondern wichtige Grundlagenforschung, die wiederum in Richtlinien und Normen einfließt«, betont die Physikerin. Das Ende der Untersuchung ist für Ende 2014 angesetzt. Dabei sind vor allem die Winterperioden wichtig: »Mindestens über drei Jahre sollten derartige Untersuchungen laufen. Im ersten Jahr erfolgen der Aufbau und die Behebung von eventuellen Problemen. Im zweiten Jahr haben wir dann realitätsnahe Bedingungen, um verlässliche Messungen durchführen zu können. Und das dritte Jahr dient der Absicherung, da ein weiterer Datensatz zum Vergleich generiert wird.«
Je nach Fragestellung können an der Testhalle nicht nur Bauteilelemente eingesetzt werden. Im 1:1-Maßstab haben Kunden aus der Industrie sowie die Forscher die Möglichkeit ganze Wandelemente den natürlichen Klimabedingungen auszusetzen und deren thermisches wie feuchtetechnisches Verhalten über einen längeren Zeitraum zu beobachten.
»Die Anforderungen an Baustoffe nehmen konstant zu. Unsere Untersuchungen tragen zum einen dazu bei, Produkte stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern; zum anderen dienen sie dazu Normen und Richtlinien auszuarbeiten, auf deren Grundlage Baustoffe zugelassen werden«, erklärt Fitz. Aus diesem Grund und in Anbetracht der immer stärker gedämmten Bauteile, so betont sie, werde die Forschung in diesem Bereich immer wichtiger.
(ate)
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