Mobil und umweltfreundlich – Wann macht der Einsatz von Elektroautos Sinn?

Forschung im Fokus Februar 2013

Stehen wir vor dem nächsten Autokauf, ist unser erster Gedanke selten an den daraus resultierenden Impetus auf den Klimawandel. Wir beschäftigen uns lieber mit den Vorteilen eines neuen Autos. Ein wesentlicher Pluspunkt: es macht uns individuell mobil und dadurch zeitlich flexibel. Im Jahr 2012 standen laut einer Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes 30.452.019 mit Benzin und 11.891.375 mit Diesel betriebene PKWs gerade mal 4.541 Elektroautos gegenüber. Der Großteil aller zugelassenen Fahrzeuge sind demnach Autos mit Verbrennungsmotor. Das heißt, sie werden mit einem langfristig endlichen Rohstoff betrieben, sie erzeugen Abgase und in geballter Menge machen sie Lärm. Ist deshalb ein Elektroauto grundsätzlich sinnvoller? Die Forschung beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit der Frage nach Alternativen zu klassisch betriebenen Fahrzeugen. Der Umstieg auf Elektroautos stellt dabei eine der am intensivsten verfolgten Möglichkeiten dar. Doch hier sehen sich nicht nur Wissenschaftler, sondern auch die Automobilindustrie und letztlich der Endabnehmer vielerlei Fragen gegenüber gestellt: Wie sinnvoll ist ein Elektroauto? Inwiefern ist die Herstellung der Batteriesysteme für ihren Antrieb umweltfreundlicher als das Tanken mit Benzin oder Diesel? Können Elektroautos wirklich die Bedürfnisse der Menschen nach grenzenloser Mobilität erfüllen? Derartige Fragen und noch viele mehr beschäftigen auch Michael Held, Leiter der Arbeitsgruppe Energie und Mobilität am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, jeden Tag. Sein Fachgebiet ist die Ökobilanzierung, genauer die Ökobilanzierung von Energie- und Mobilitätssystemen.

»Wir leben in einer Zeit, in der wir uns Gedanken machen müssen, wie wir langfristig Ressourcen schonen und mit ihnen haushalten können. Dieser Grundgedanke der Nachhaltigkeit ist die Basis der Arbeit in der Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung«, schildert Held seine tägliche Forschungsarbeit. Für den Automobilbereich, so der Fraunhofer-Forscher, ist die Auseinandersetzung mit alternativen Antriebssystemen aber nicht allein eine Frage der Umweltbilanz. »Natürlich trägt der Transportsektor wesentlich zur Klimabilanz bei. Jedoch wirft die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weitere Fragestellungen auf«, erklärt Held. So habe sich in den vergangenen Jahren die Versorgungslage mit Erdöl zunehmend verschärft. Deutschland hat keine entsprechenden eigenen Quellen, um einen langfristigen Nachschub ohne kostenintensive Importe sicherzustellen. Gleichzeitig steigt der Mobilitätsbedarf der Bevölkerung weiter rasant an. Schon heute beträgt der weltweite Kraftfahrzeugbestand etwa eine Milliarde Fahrzeuge. Bis zum Jahr 2030 erwarten Experten eine Verdopplung. Ein extremes Wachstum der Kraftfahrzeugzulassungen zeichnet sich vor allem auch in aufstrebenden Ländern wie China oder Indien ab. Die Bundesregierung hat sich deshalb dazu entschlossen, die Abhängigkeit von erdölbasierten Kraftstoffen zu verringern, indem sie beispielsweise die Elektromobilität fördert. Der Vorteil der Elektromobilität liegt in der höheren Vielfalt an Energieträgern und Stromerzeugungstechnologien. Werden Elektrofahrzeuge mit Strom aus zusätzlich installierten Erneuerbaren Energien geladen, können diese zudem einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz im Transportsektor (Individualverkehr) leisten.

Doch es genügt nicht einfach einen elektrischen Antrieb in ein Auto zu bauen. Ein Elektroauto muss eine echte Alternative zum konventionell betriebenen Fahrzeug sein – und zwar vom ökologischen wie ökonomischen Standpunkt aus. Hier setzt die Ökobilanz und darauf aufbauend die Ganzheitliche Bilanzierung an. Die Ökobilanz ist eine systematische Analyse aller Umweltwirkungen eines Produkts, Verfahrens oder einer Dienstleistung entlang des gesamten Lebensweges. »Dabei soll sie den wirtschaftlichen und technischen Aspekt nicht ausblenden oder gar ersetzen«, erklärt Held. Denn die wesentliche Frage ist immer die nach der Sinnhaftigkeit. In diesem Fall müssen die Wissenschaftler erforschen, in wie weit sich die Umweltbilanz des Fahrzeuglebenszyklus durch den Einsatz der alternativen Antriebskomponenten verändert. Welcher Energiemix zur Betankung von Elektroautos am effektivsten und ob es zweckmäßig ist, Strom zu tanken, wenn dieser von konventionellen Kraftwerken (fossilen Energieträgern) erzeugt wird, steht dabei ebenso im Mittelpunkt der Forschung wie der zu erreichende ökologische Mehrwert beim Einsatz von Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig darf dabei aber auch nie der Faktor Mensch und seine Bedürfnisse ausgeklammert werden. »Das macht meine Arbeit immer sehr fallspezifisch«, erläutert Held die Vielfalt seines Forschungsbereichs. Trotzdem könne man Trends ermitteln und somit Aussagen zu möglichen Bandbreiten und erforderlichen Rahmenbedingungen treffen. »Ein Auto hat viele Komponenten, die wir im Rahmen der Ökobilanzierung bewerten. Wir schauen uns den Fahrzeugbau, die verwendeten Materialien sowie die Art ihrer Verwendung bis hin zur Entsorgung des Autos an – also von der Wiege bis zur Bahre«, so Held. Eine der verwendeten Komponenten, die den Fraunhofer-Forscher interessiert, ist die Batterie, denn sie stellt derzeit eine Schlüsseltechnologie der Elektromobilität dar. Die Herstellung der eingesetzten High-Tech Werkstoffe erfordern oftmals einen aufwendigen Abbau seltener Rohstoffe und eine energieintensive Verarbeitung. Das macht sich wiederum in der Ökobilanz der Elektrofahrzeuge bemerkbar. Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen Automobilhersteller bzw. ihre Zulieferer beispielsweise die Ressourcenverfügbarkeit oder die Einhaltung der Umweltrichtlinien in den abbauenden Ländern berücksichtigen. Diese Umweltbeiträge können nämlich den Fahrzeuglebenszyklus maßgeblich beeinflussen. Darüber hinaus fließt auch das Recycling der Batterie, ebenso wie das der restlichen Autoteile in die Ökobilanz mit ein. »Maßgeschneiderte Lösungen tragen letztlich dazu bei, sicherzustellen, dass ein Produkt langfristig einen ökologischen Mehrwert hat«, erklärt Held.
Eine Batterie, die in der Ökobilanz eines Fahrzeugs im Bereich ihrer Herstellung schwer ins Gewicht gefallen ist, kann das an anderer Stelle der Bilanz allerdings auch wieder ausgleichen. So kann sich beispielsweise, abhängig von der Dimensionierung des Batteriesystems, die Klimabilanz der Fahrzeugherstellung im Vergleich zum konventionellen Auto verdoppeln. Verwenden die Autofahrer unter anderem einen sauberen, durch Erneuerbare Energien gewonnen Strommix zum Tanken und fahren vergleichsweise viele Kilometer, lassen sich diese gewichtigen Aspekte im Vergleich zum konventionellen Fahrzeug amortisieren. »Je früher dieser so genannte Break Even eintritt, desto größer ist der ökologische Mehrwert«, so Held. Die Anschaffung eines Elektroautos bringt also nichts, wenn die erforderliche Fahrleistung möglicherweise nicht erreicht werden kann. Beim Thema Batterie kommt derzeit allerdings auch noch ein anderes Problem hinzu: die Reichweite. Elektrofahrzeuge von heute sind in diesem Bereich immer noch kaum mit konventionellen Autos vergleichbar. Gleichzeitig nimmt die Ladung der Batterien bisher deutlich mehr Zeit in Anspruch als ein normaler Tankvorgang. »Autofahrer wünschen sich eine hohe Reichweite, selbst wenn das eigentlich nur ein psychologischer Faktor ist.« Die meisten, so der Wissenschaftler, würden pro Tag nämlich durchschnittlich nur maximal 50 Kilometer mit dem Auto zurücklegen. Eine Distanz, die auch ein Elektroauto locker schafft. Somit bietet sich ihr Einsatz vor allem im Stadtverkehr an. Hier können sie einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von städtischen Emissionen sowie zur Lärmminderung leisten.
»Viele Menschen denken, dass die Elektromobilität die konventionelle Mobilität auf lange Sicht ablösen wird. Dieser Meinung bin ich nicht«, erklärt Held. »Vielmehr muss sich eine stärkere Vernetzung der Verkehrsmittel ergeben, in deren Rahmen sich Elektro- sowie konventionelle Mobilität dort ergänzen, wo es Sinn macht.« Und genau aus diesem Grund ist die Ökobilanzierung als Teil der Nachhaltigkeitsbewertung ein bedeutender Faktor. »Aus unseren bisherigen Erkenntnissen heraus werden wir uns jetzt damit auseinandersetzen müssen, wie die Akzeptanz von Elektroautos im Privatgebrauch oder im öffentlichen Nahverkehr in Städten gesteigert werden kann. Und schließlich müssen wir Mittel und Wege finden, diese Konzepte von der Stadt auf den ländlichen Raum auszuweiten.«
(ate/taf/jae)
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