Aus alt mach (fast) neu – Etablierung moderner Methoden in der energetischen Altbausanierung

Forschung im Fokus September 2012

An heißen Sommertagen ist ein Besuch im Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Benediktbeuern immer eine besondere Wohltat. Angenehme Kühle empfängt den Besucher in den Räumlichkeiten, liegen sie doch hinter den dicken Mauern der Alten Schäfflerei des Klosters Benediktbeuern. Diese dicken Mauern sind es jedoch auch, die an frostigen Wintertagen aus erfrischender Kühle durchdringende Kälte werden lassen. Bislang. Denn: Für angenehme Temperaturen zu jeder Jahreszeit, genauso wie für energetische Einsparungen ist auch bei Altbauten eine entsprechende Wärmedämmung einer der zentralen Schlüssel. Doch die nachträgliche Dämmung dieser, aufgrund ihres Alters, häufig sensiblen Gebäude stellt ihre Besitzer, ebenso wie Planer und Architekten vor große Herausforderungen. Aus diesem Grund testeten im Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP verschiedene Innendämmungen auf ihre Anwendbarkeit im Altbau. »Damit gehen wir einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung bzw. Etablierung moderner Methoden in der energetischen Altbausanierung«, erklärt Projektleiter Ralf Kilian. Und Christine Milch, Koordinatorin für Bau und Forschung im Fraunhofer-Zentrum Benediktbeuern, fügt hinzu: »Dieses Projekt spiegelt in vielerlei Hinsicht den Grundgedanken dessen wieder, was wir in Benediktbeuern machen wollen. Es ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie wir neue Technik in Altbauten zur Anwendung bringen können und dabei gleichzeitig dem Denkmalpflegeaspekt gerecht werden.«


Könnten die Mauern der Alten Schäfflerei sprechen, hätten sie so einiges zu erzählen. Nachdem das Gebäude 1760 fertiggestellt worden war, wurden hier über viele Jahrzehnte hinweg die Fässer für die Klosterbrauerei hergestellt. Über die Jahre hat das historische Gebäude bewegte Zeiten miterlebt. So zogen nach dem 2. Weltkrieg Flüchtlingsfamilien in die Räumlichkeiten im Obergeschoss und nutzten sie bis weit in die 50er Jahre als Wohnraum. Zuletzt waren im Erdgeschoss eine Schmiede und die Hausmeisterei des Klosters untergebracht, bevor das Fraunhofer IBP im Juli 2010 mit dem Fraunhofer-Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege hier Einzug gehalten hat. »Natürlich wurde in den vorangegangenen Jahren immer wieder baulich etwas verändert und erneuert, doch der denkmalpflegerische Aspekt stand dabei bislang nicht im Mittelpunkt«, so Milch. Das hat sich unter der Regie der früheren Arbeitsgruppe Denkmalpflege und Bauen im Bestand der Abteilung Energieeffizienz und Raumkima geändert.

Das Fraunhofer-Zentrum ist ein umfangreiches Forschungsprojekt mit baulichen Maßnahmen und wurde als Anschauungsobjekt im Sinne einer »Gläsernen Baustelle« denkmalgerecht und unter energetischen Gesichtspunkten instandgesetzt. »Wir wollen hier traditionelle und innovative Techniken für den Einsatz im Baudenkmal und in schützenswerten Altbauten untersuchen«, erklärt Milch. Das größte Projekt war die aufwendige Instandsetzung des Daches, wobei ein Teil der alten Dachziegel erhalten und die neuen nach altem Muster gebrannt wurden, sowie die Erneuerung der Balkenköpfe und der ersten Musterfenster – ebenfalls unter denkmalpflegerischen und restauratorischen Gesichtspunkten. Weitere bauliche Maßnahmen folgten, wie die Dämmung der Geschossdecke über dem Obergeschoss und die Instandsetzung der Fassade.

Die Besonderheit des Projektes »Innendämmung«, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wurde, war, dass nicht nur eine Art von Innendämmung eingebaut wurde, vielmehr wurden zehn bis elf unterschiedliche Dämmmaterialien an die Wände des über 200 Quadratmeter großen Obergeschosses angebracht. Da es sich um ein historisches Gebäude handelt, liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Reversibilität der Methode. »Das heißt, wir haben bei der Anbringung gezielt darauf geachtet, dass die Dämmung leicht wieder entfernt werden kann und dabei keine oder nur sehr wenige und schnell behebbare Schäden am Mauerwerk entstehen«, erläutert Projektleiter Kilian. Erste Vorversuche dazu wurden in einem der Testhäuser auf dem Freilandversuchsgelände des Fraunhofer IBP in Holzkirchen durchgeführt. Wichtig war den beteiligten Wissenschaftlern neben dem schadensfreien Rückbaugedanken zudem, Dämmungen zu verwenden, die entweder hochwärmedämmend und sehr dünn sind oder aber aus nachwachsenden Rohstoffen bzw. recyceltem Material bestehen.
Zu diesem Zweck haben die Wissenschaftler ein Portfolio zusammengestellt, dass drei Dämmstoffgruppen beinhaltet:
1. Mineralische Dämmsysteme, wie Kalziumsilikat, Lehm und Ziegel.
2. Dämmungen aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Holzfasern, Typha, Zellulose, Hanf oder Flachs, bzw. aus recycelten Material wie zum Beispiel Polyurethan aus Autositzen.
3. Dünne Dämmsysteme, wie Vakuumdämmpaneele oder Aerogelmatten.

»Vor, während und nach der Dämmungsmaßnahme wurden am Gebäude beispielhaft Messungen sowie rechnerische Untersuchungen durchgeführt, um daraus vergleichend die Vor- und Nachteile sowie die Einsatzgrenzen der unterschiedlichen Systeme abzuleiten«, schildert Kilian. »Unser Ziel war, zu ermitteln, welche Dämmstoffdicken ohne Risiko von Feuchteschäden und den damit verbundenen gesundheitlichen Problemen und Schäden an der Gebäudesubstanz vertretbar sowie sinnvoll sind.« Zugleich – um dem Gedanken der Nachhaltigkeit möglichst umfassend zu berücksichtigen – kümmerte sich die Abteilung Ganzheitliche Bilanzierungum die Ökobilanzierung der einzelnen Dämmstoffe.
»Mit innovativen Ansätzen, neuen Materialien und interdisziplinärer Zusammenarbeit können wir wertvolle wissenschaftliche Ergebnisse generieren, die dann in der Praxis umgesetzt werden«, so Kilian. Das Projekt »Innendämmung« soll im Frühjahr 2016 abgeschlossen werden.

Im Fraunhofer-Zentrum Benediktbeuern hat sich viel getan: Im Nordbau entstand ein Dachdemonstrationszentrum, verschiedene Wandheizungssysteme wurden im Hinblick auf energetische, exergetische und hygrothermische Aspekte untersucht, zur Gewährung der Barrierefreiheit innerhalb des Gebäudes wurde ein Aufzug installiert. Das Hauptaugenmerk bei allen Aktivitäten im Fraunhofer-Zentrum Benediktbeuern liegt dabei auf vernetztem, interdisziplinärem Arbeiten mit verschiedenen Einrichtungen und Projektpartnern. »Der Austausch ist uns sehr wichtig«, erklärt Christine Milch. »Wir wollen ein lebendiges und aktives Zentrum schaffen und haben unsere Arbeit daher auf vier Säulen gestellt: Forschung, Demonstration, Wissen sammeln und Wissen vermitteln.« Aus diesem Grund finden regelmäßig Seminare sowie öffentliche Informationsveranstaltungen statt. Milch: »Diese richten sich nicht nur an Wissenschaftler, sondern auch an Handwerker, Bauherrn oder einfach nur interessierte Bürger. Besonders am Herzen liegen uns aber auch die Jugendlichen, für die wir gezielt Veranstaltungen organisieren möchten.« Sukzessive wurde zur Information auch eine Ausstellung aufgebaut, die die einzelnen Schritte der Instandsetzung des historischen Gebäudes dokumentiert und die Forschungsergebnisse des Fraunhofer IBP für alle zugänglich macht. 
»Historische Gebäude sind mehr als nur alte Häuser. Sie sind Fenster in die Vergangenheit und gleichzeitig ein wesentlicher Bestandteil unserer Gegenwart und unserer Zukunft. Damit sind sie sinnstiftend für kulturhistorische Identität«, sagt Milch.
 
(ate)

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