Steht der Schreibtisch weit vom Fenster entfernt, reicht das einfallende Tageslicht vielfach nicht aus – es bedarf einer zusätzlichen Beleuchtung. Neue mikrooptische Strukturen bieten Lösungen: Sie lenken Tageslicht blendfrei in fassadenferne Gebäudebereiche und ermöglichen die elektrische Beleuchtung fensternaher Arbeitsplätze durch transparente Fassaden. Die neuen Bauteile können zukünftig Energieeffizienz, Lebenszyklusbilanz und Aufenthaltsqualität im Gebäudebereich verbessern – auch gestalterische Spielräume nehmen zu.
Vom Labormaßstab in gebaute Fassaden
Ausgangspunkt bilden zwei optische Strukturen, die auf transparente Trägerschichten aufgebracht werden. Neun Partner waren an dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Verbundprojekt »TALED« beteiligt. Die erste Struktur wird in die Fassade eingesetzt und lenkt Tageslicht tief in fassadenferne Gebäudebereiche, ohne zu blenden. Die zweite – eine Licht auskoppelnde Struktur – strahlt LED-Licht, das über die Scheibenkanten eingekoppelt wird, gezielt aus der Trägerschichtfläche ab. Das Element selbst bleibt bei Draufsicht transparent. Die Struktur lässt sich direkt in Fassadenverglasungen sowie in Leuchten nutzen. Die beiden Basisstrukturen lagen zu Projektbeginn als Labormuster vor. Im Projekt wurden diese Strukturen optimiert, mit neu entwickelten Fertigungsprozessen wie Heißprägen und UV-Nano-Imprint auf baupraktische Größen von 1,2 m × 0,6 m skaliert und in Scheibenverbünde integriert. Es sind auch größere Abmessungen fertigbar. Die Verfahren erlauben es, starre Acrylglasplatten (Polymethylacrylat – PMMA-Platten), Gläser und Folien zu strukturieren. Die erwarteten Kosten der einbaufertigen PMMA-Mikrooptiken zur Lichtumlenkung liegen bei 30 bis 35 € pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Die lichtlenkenden eingestapelten PMMA-Stäbe eines funktional vergleichbaren Produkts lagen bisher bei ca. 250 € pro Quadratmeter. Die erwarteten Kosten für die Licht auskoppelnde Struktur sind vergleichbar.
Bewertung und architektonische Anwendungskonzepte
Lichttechnische und energetische Kennwerte wurden ermittelt und für die Nutzung in Planungswerkzeugen aufbereitet. Auch die Lebenszyklusbilanz und der Einfluss auf das energetische Gebäudeverhalten schätzten die Expertenteams ab. Das Ergebnis: Der Energiebedarf für die Beleuchtung in einem Büroraum konnte durch die lichtlenkende Fassade im Messzeitraum um 58 Prozent gesenkt werden, die Nutzerakzeptanz stieg signifikant. Auch musste deutlich weniger PMMA einsetzt werden: Verglichen mit dem existierenden funktional vergleichbaren Produkt mit eingestapelten Acrylglasstäben sank der PMMA-Einsatz um über 75 Prozent.
Mehr Gestaltungsfreiheit
Die Licht auskoppelnden Elemente, die in die Fassade integriert wurden, beleuchteten die fassadennahen Raumbereiche ausreichend – der Lichtstrom war bei gleichem Energieeinsatz jedoch geringer als mit konventioneller Beleuchtung. Dies ist hauptsächlich auf die indirekte Beleuchtung zurückzuführen, bei der Absorptionsverluste an der Decke auftreten. Dagegen konnten die gestalterischen Vorzüge der Lösung – etwa die freie Decke und die Transparenz der Lichtquellen – und vergleichbare Nutzerakzeptanz gegenüber einer konventionellen Beleuchtung demonstriert werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstellten zudem exemplarische, architektonische Anwendungskonzepte für Neubau und Altbausanierung. Diese erlaubten praxisnahe Rückschlüsse zum zukünftigen Einsatz der Systemlösungen.