White Paper zur Biointelligenz an Ministerien überreicht
»Kompetenzzentrum Biointelligenz« nimmt Fahrt auf
Seit Anfang des Jahres arbeiten 40 Vertreterinnen und Vertreter renommierter Forschungseinrichtungen im Stuttgarter Raum intensiv und interdisziplinär zusammen, um gemeinsam den Paradigmenwechsel der Biologischen Transformation zu gestalten. Am 15. Mai 2019 fand nun die 1. Konferenz Biointelligente Produkte und Produktion – die nachhaltige Revolution der Industrie statt, bei der auch ein Appell der Wissenschaftler dieses »Kompetenzzentrums Biointelligenz« an die Politik übergeben wurde. Das White Paper zur Biointelligenten Wertschöpfung beschreibt den Nutzen biointelligenter Systeme und erklärt, warum sie für eine nachhaltige Zukunft unerlässlich sind.
»Die Frage, die wir klären müssen, ist doch: Wie können wir künftig die Bedürfnisse der Menschen in den Bereichen Wohnen, Ernährung, Gesundheit, Konsum und Energie weltweit nachhaltig befriedigen? Als Ergänzung zur Digitalisierung wird die Biologische Transformation der Schlüssel sein. Davon sind wir überzeugt«, so Professor Ralf Takors, Leiter des Instituts für Bioverfahrenstechnik der Universität Stuttgart
Im »Kompetenzzentrum Biointelligenz« kooperieren deshalb 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Stuttgart und Hohenheim sowie des NMI in Reutlingen und der Fraunhofer-Institute IPA, IGB, IAO, IBP in Stuttgart, um die Biologische Transformation in Fahrt zu bringen. Sie forschen auf so unterschiedlichen Gebieten wie Maschinenbau, Biologie, Biotechnologie, Medizintechnik, Architektur, Ernährungswissenschaften, Informatik und haben ein gemeinsames Ziel: eine nachhaltige Produktion und Lebensweise, die den Namen auch verdient.
Die Biologische Transformation der industriellen Wertschöpfung bedeutet die zunehmende Nutzung von Materialien, Strukturen, Prozessen und Organismen der belebten Natur in der Technik. Diese systematische Anwendung von Wissen über biologische Prozesse führt zu einer zunehmenden Konvergenz von Produktions-, Informations- und Biotechnologie mit dem Potenzial, künftige Produkte, Herstellprozesse, Organisationen, kurz die Lebensweise der Menschen insgesamt tiefgreifend zu verändern.
Zurzeit wird der Begriff Nachhaltigkeit noch mit ökonomischen Einbußen und Einschränkungen assoziiert. Die Biologische Transformation soll genau hier ansetzen und Nachhaltigkeit durch neue Konzepte und Innovationen wirtschaftlich und attraktiv machen. Das Potenzial der Biologischen Transformation erweist sich als vielfältig – von strukturellen Innovationen über die Modernisierung der deutschen Unternehmens- und Bildungskultur bis hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Man muss es nur ausschöpfen.
Für eine umfassende Umsetzung sind nun – so die Wissenschaftler im White Paper – längerfristige Fördermaßnahmen notwendig. Die Erforschung und Entwicklung der Basistechnologien, wie etwa Bioinformatik, Systembiologie, Informationstechnologie und Biosensorik, Bioprinting, Additive Fertigung mit biointelligenten Materialien oder Zell- und Tissue- Engineering sind wichtige Bausteine. Auch muss ein differenzierter gesellschaftlicher und interdisziplinärer Diskurs geführt werden, denn die Themen haben häufig ethische Relevanz und enthalten Konfliktpotenzial.
Interdisziplinäre Qualifikations- und Ausbildungsformen sind hier unverzichtbar, denn eine anpassungsfähige, multi- disziplinäre Ausbildung wird als erforderlich für das Gelingen der Biologischen Transformation angesehen. Ziel muss es sein, die Basistechnologien im Hinblick auf den Transformationsprozess zu stärken, um deutschen Unternehmen auch in Zukunft eine führende Position zu sichern.
Was ist zu tun? – Thesen aus dem Whitepaper des Kompetenzzentrums
Es ist die Aufgabe unserer Generation, einen radikalen, strukturellen Wandel hin zu einer nachhaltigen Wertschöpfung zu realisieren. Die Biologische Transformation wird entscheidend zum Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland beitragen und stellt gleichzeitig eine einzigartige Chance dar, eine innovative, nachhaltige Wertschöpfung in die Tat umzusetzen. Aus Sicht des Kompetenzzentrums Biointelligenz ergeben sich folgende Thesen für die erfolgreiche Entwicklung einer biointelligenten Wertschöpfung in Deutschland:
- In vielen relevanten Feldern der biointelligenten Wertschöpfung (u. a. der Anwendung Künstlicher Intelligenz für die Entwicklung neuer Wert- und Wirkstoffe, der Translation biotechnologischer Innovation in kommerzielle Anwendung etc.) ist Deutschland derzeit nicht führend. Dies liegt nicht zuletzt an der vergleichsweise restriktiven Gesetzgebung und dem eingeschränkten Zugang zu Risikokapital. Um nicht den Anschluss an andere Nationen zu verlieren, ist es von immenser Bedeutung, Freiräume für die Wissenschaft sowie Interaktionsplattformen mit der Wirtschaft zu schaffen. Gründer, die entscheidend dazu beitragen, Ideen zu marktreifen Produkten zu transferieren, sollten durch Abbau von Bürokratie, vereinfachten Kapitalzugang und verbesserter sozialer Absicherung unterstützt werden.
- Die Biologische Transformation stellt eine immense Herausforderung dar. Will sich Deutschland als Vorreiter positionieren, ist es wichtig, jetzt interdisziplinäre Leuchtturmprojekte umzusetzen, eine gemeinsame politische Agenda zu entwickeln sowie regionale Kompetenz- und Transferzentren zu etablieren. Forschungsinstitutionen sind aufgerufen, ihre Kompetenzen zu bündeln und fachübergreifende Partnerschaften einzugehen. Unternehmen positionieren sich in diesem Innovationsfeld strategisch, indem sie – insbesondere in der Forschung und Entwicklung – eine interdisziplinäre Personalstruktur schaffen und über den eigenen Tellerrand hinaus blicken.
- Die Biologische Transformation wird elementare menschliche Bedürfnisfelder (Gesundheit, Ernährung, Wohnen, Konsum, Energie) spürbar beeinflussen. Dies kann Unsicherheiten bei der Bevölkerung auslösen. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Das Für und Wider bestimmter Handlungsalternativen muss in Form von umfangreichen Bürgerdialogen und Informationskampagnen im öffentlichen Diskurs entwickelt werden.
- Ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg der Biologischen Transformation ist ein breites und grundlegendes Wissen in Naturwissenschaften, Technik, Informatik sowie in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Dies ist sowohl in der Ausbildung als auch in der Forschung und Entwicklung notwendig. Gerade der Lehr- und Forschungsstandort Stuttgart hat diesbezüglich in der Vergangenheit schon sehr erfolgreiche Vorarbeiten geleistet, etwa durch die Integration von ingenieur- und naturwissenschaftlichen Forschungsarbeiten und Studiengängen. Darauf aufzubauen verspricht eine nachhaltig erfolgreiche biologische Transformation.
- Das Kompetenzzentrum Biointelligenz sieht in der biointelligenten Wertschöpfung eine einzigartige Gelegenheit für Deutschland, eine positive Vision als Vorreiter umzusetzen, die es der Wirtschaft nicht nur erlaubt, existierende Wettbewerbsvorteile weiter auszubauen, sondern einen nachhaltigen Fortschritt garantiert. Zünglein an der Waage ist die rechtzeitige Formulierung einer politischen Agenda, die es den Bürgern, Industrie und Forschung erlaubt, das Thema gemeinsam erfolgreich zu gestalten.
Das Whitepaper des Kompetenzzentrums Biointelligenz wurde auf der 1. Konferenz Biointelligente Produkte und Produktion – die nachhaltige Revolution der Industrie an Vertreter der thematisch involvierten baden-württembergischen Ministerien übergeben, also dem Staatsministerium sowie den Ministerien für Umwelt, Wirtschaft, Forschung und Landwirtschaft.
Die Voruntersuchung Biotrain finden Sie unter: https://www.biotrain.info/projektveroeffentlichungen
Weitere Informationen erhalten Sie zudem auch bei Twitter:#Biointelligenz
Am Kompetenzzentrum Biointelligenz sind folgende Institute beteiligt:
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IPA – Prof. Wilhelm Bauer
Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP – Prof. Philip Leistner
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB – Dr. Markus Wolperdinger
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA – Prof. Thomas Bauernhansl
Institut für Bauökonomie (BAUOEK) der Universität Stuttgart – Prof. Christian Stoy
Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart – Prof. Alexander Sauer
Institut für Akustik und Bauphysik (IAB) der Universität Stuttgart – Prof. Philip Leistner
Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme (IBBS) der Universität Stuttgart – Prof. Christina Wege
Institut für Baukonstruktion (IBK) der Universität Stuttgart – Prof. Martin Ostermann
Institut für Bioverfahrenstechnik (IBVT) der Universität Stuttgart – Prof. Ralf Takors
Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart – Prof. Thomas Bauernhansl
Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) – Prof. Günter Tovar
Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart – Prof. Christian Bonten
Institut für Materialwissenschaft (IMW) der Universität Stuttgart – Prof. Joachim Bill
Institut für Organische Chemie (IOC) der Universität Stuttgart – Prof. Bernd Plietker
Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart – Jun.-Prof. Dr. Hanaa Dahy
Institut Wohnen und Entwerfen (IWE) der Universität Stuttgart – Prof. Christine Hannemann
Institut für Zellbiologie und Immunologie (IZI) der Universität Stuttgart – Prof. Markus Morrison
Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut NMI an der Universität Tübingen – Prof. Katja Schenke-Layland
Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Hohenheim – Prof. Jan Frank
Lehrstuhl für Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen der Universität Hohenheim – Prof. Iris Lewandowski
Institut für Nutztierwissenschaften der Universität Hohenheim – Prof. Martin Hasselmann
Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der Universität Hohenheim – Prof. Rudolf Hausmann
Letzte Änderung: